„Alles unser Bemühen, uns im Einfachen und Beschränkten abzuschließen, ging verloren, als Mozart auftrat. Die ‚Entführung‘ schlug alles nieder, und es ist auf dem Theater von unserem so sorgsam gearbeiteten Stück niemals die Rede gewesen“ zitierte Musikdramaturg Milko Kersten kürzlich Goethes Selbsteinschätzung seines frühen Schwanks ‚Das Jahrmarktfest zu Plundersweilern‘ gegenüber dem meisterlichen Singspiel von Mozart ‚Die Entführung aus dem Serail‘. Das habe ihn und den Texter und Regisseur Wolf-Dieter Gööck gereizt zusammenzubringen: auf Volksopern-Art. Nicht zu Verschnitt, Kreuzung, oder Melange führe diese, sondern, so Gööck „wir entwickeln durch Bearbeitung und Überschreibung die verwendeten Stücke schöpferisch weiter. Zutaten sind Komödiantentum, Schabernack, auch Ernsthaftigkeit. Musikalisches Erbe und die aktuelle gesellschaftliche Situation gehen eine Verbindung miteinander ein.“ Im fünften Jahr auf der Saloppe zeigt die Serkowitzer Volksoper weiter, wie es ihr Name verspricht, dass Oper in kleiner Form witzig, frech, unterhaltsam für jedermann, eben fürs ganze Volk, sein kann. Mit moderaten Eintrittspreisen für ein Publikum, das sowohl vom Alter her als auch in Bezug auf seine soziale Struktur breitgefächert ist.
Im vorigen Jahr hatte die Truppe als neues Stück „PIPI & POPO“ auf die gar nicht so kleine Bühne der Freiluftfläche der Sommerwirtschaft gebracht. Dort aber hatte das heitere Märchen frei nach Büchners „Leonce und Lena“ unverdienter Weise nur mäßigen Erfolg: das Publikum wurde ihm im Regensommer buchstäblich weggespült.
Für ihren 2015er Jahrgang ziehen die Serkowitzer mit ihrem neuen Stück nun hinter das Areal in den früheren Backstagebereich. Die Saloppe hat ihn zum Theater neu eingerichtet. Mit ihrem historische Zirkuswagen als Bühne, in seinen Winkeln Garderobe und Requisite zugleich. Der überdachte Zuschauerbereich bleibt luftig; im Ganzen mit Schaubudencharakter von nostalgischem Flair.
Bescheidenheit macht groß
In einer Rahmenhandlung, die an Goethes „Jahrmarktsfest“ nicht mehr als nur erinnert, findet das eigentliche Musiktheaterstück statt: ein Öperchen nach Mozarts „Entführung“. Die große Oper ist auf vierzig Minuten eingedampft, wobei er keine Note Mozarts angerührt habe, betont Milko Kersten. Das Spiel im osmanischen Serail bringt die willkommene Gelegenheit für komödiantische Randbemerkungen zur aktuellen Morgenland-Abendland-Misere. Das Stück aus dem späten 18. Jahrhundert weist auf manche der Vorstellungen, die sich die europäische Gesellschaft von fremden Kulturen macht, damals und heute.
Auch die „Mangelwirtschaft in Serkowitz“, wie es im Titel lautet, ist aktuell, bezieht sich jedoch auf die Produktion und die Situation des Teams. Denn lange war die Finanzierung der Produktionskosten nicht gesichert, weil der Hauptförderer absprang. Erstmals hatte die Serkowitzer Volksoper daher eine Spendenaktion ins Internet gestellt, deren Spendenziel – 6.100 Euro – inzwischen erreicht ist.
Groß ist die Bühnenfläche des Zirkuswagens wahrlich nicht. Dies und der Sparzwang bei Ausstattung und Personal ließ die Entwickler des Stücks auf die Besetzung mit nur drei Darstellern kommen. Die schlüpfen abwechselnd in viele der Rollen, deren Anzahl fürs Original des „Jahrmarktfest“ mit 29 und der „Entführung“ mit 9 angegeben sind.
Spannend, wie die beiden Sopranistinnen und ein Bariton zu dritt ein mozartisches Sextett singen! Von komödiantischem Reiz ist diese Verdichtung, erfordert jedoch auch ein präzises Spiel und hohes sängerisches Können, was Marie Hänsel, Dorothea Wagner und Cornelius Uhle auch mitbringen. Alle drei sind Absolventen der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber und keine Neulinge in ihrem Metier, bei der Serkowitzer Volksoper auch nicht.
Sie schätzen die vollkommene Einbindung in das Theatermachen, von der Entstehung des Stücks bis zum Handlangen des Schminkens in Eile und fast ohne Licht, das familiärem Zusammen aller Beteiligten, die in diesem Jahr gerade mal zehn Personen sind. Übereinstimmend sagen alle drei Sänger „ein Lustfaktor ist dabei“; die minimale Gage aus Abendeinnahmen sei eher nebensächlich. Die Regie führt wie immer Wolf-Dieter Gööck. Die musikalische Leitung hat Milko Kersten. Am Synthesizer ersetzt Kersten als Ein-Mann-Band das Orchester. Für die Ausstattung, sparsamst bei der Requisite, üppig-fantasievoll im Kostüm, zeichnet wie schon in den Vorjahren bewährt, Coco Ruch verantwortlich.
Weitere Aufführungen: 6. September, 13. September, 20. September, 27. September.
Beginn jeweils 19 Uhr
Eintritt: 15/7 Euro
Titelfoto: Robert Jentzsch