Der Stoff wurde 1905 als skandalös empfunden. Die Uraufführung katapultierte Richard Strauss sofort in die vorderste Front der nachwagnerischen Opernkomponisten. Heute gilt die Oper als ein ungewöhnliches, aber wohlgelittenes Meisterwerk: die neue, die achte Dresdner »Salome« feierte das Publikum am Wochenende mit begeistertem Beifall und Bravorufen.
Die spannungsvolle Aufführung war getragen von einer klangvollen und ausdrucksakzentuierten Gestaltung durch die Sächsische Staatskapelle unter der Leitung von Omer Meir Wellber, der seit der Wiederentdeckung von Straussens »Daphne« und »Ariadne« und Mozarts »Cosi fan tutte« in Dresden kein Unbekannter mehr ist. Wellbers »Salome« ist von überzeugender Geschlossenheit. Selten hört man die leitthematischen Strukturen, die flirrend, impressiv aufquellenden der Salome, die melodisch klar geführten des Jochanaan, so klar nachvollziehbar wie an diesem Premierenabend. Packend ist die Einheit der sängerischen Gestaltung, der unmittelbaren Beziehung zum Handlungsablauf. Und der Dirigent hatte Sänger zur Verfügung, die Ihre Partien höchst ausdrucksintensiv gestalten konnten. Allen voran wäre da Jennifer Holloway als Salome zu nennen, Markus Marquardt als Jochanaan oder Lance Ryan als Herodes. Sie setzten ihre hervorragenden stimmlichen Möglichkeiten ein und vermochten die ungewöhnliche szenische Anlage der Inszenierung von Michael Schulz (Bühne: Dirk Becker, Kostüme: Renée Listerdal) überzeugend zu gestalten.
Kein orientalisches Umfeld ist da auf der Bühne, sondern ein Kinderzimmer des Mädchens Salome mit Teddy, Clownpuppe, Cowboy Lucky Luke und einem Nussknacker. Gewöhnungsbedürftig ist das schon, da die Musik andere Beziehungen anspricht. Aber der Regisseur führte seine Idee überzeugend weiter, setzte alle Mittel der Bühnentechnik ein und kam so allmählich ins tatsächliche Spiel um Salome und Jochanaan. Das kleine Mädchen, fasziniert von der Stimme des Propheten, der aus der Tiefe aufsteigt, nähert sich ihm. Das Kinderzimmer entfernt sich, wird aber immer wieder Handlungsort, wenn Herodes geil auf seine Stieftochter einbricht, das Judenquintett mit Jochanaan um die Bedeutung des Messias streitet und ein Nazarener (Georg Zeppenfeld) mit markanter Stimme für ihn eintritt. Herodes wird von Angst getrieben, dass der Prophet rechtens wäre. Und als die liebesverzückte Salome, da Jochanaan sie immer wieder abwehrt, schließlich das Haupt des Propheten fordert, zögert er. Aber da er vor Salome nicht wortbrüchig werden kann, den Tanz der sieben fallenden Schleier fordert, bekommt sie Jochanaans Haupt im Geschenkpaket.
Salome, die Kindfrau, wird den Tanz nicht selbst ausführen (früher war das eine besondere Aufgabe für die Salome-Sängerinnen!), beordert stattdessen das „Hof-Cabaret“ mit sechs sich entkleidenden Damen, gestaltet von einer Gruppe von Burlesque-Tänzerinnen, auf die Szene. Als siebente tritt sie selbst, umhüllt von Pfauenfedern, hinzu. Spätestens hier lässt sie die Kindheit hinter sich. Salome begreift: „…das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes“. Um die Geschlossenheit der Szene zu wahren, muss der Regisseur nun wieder ins anfängliche Kinderzimmer zurückfinden. Salome legt den Kopf des Propheten neben ihren Teddy und legt sich selbst dazu… Damit verliert sich die Perversität, die man dem Werk unterlegt. Eine tief bewegende Stimmung breitet sich aus, so dass der Aufschrei des Herodes („Man töte dieses Weib“) am Ende fast etwas deplatziert erscheint.