Versuchen Sie bitte während eines Konzertes nicht zu husten! Sollten Sie erkältet sein oder wissen, dass Sie unter gelegentlichem Hustenreiz leiden, bringen Sie sich bitte Hustenbonbons (ohne raschelndes Papier oder klappernde Dosen) mit. Wenn alles nichts hilft und Sie husten oder sich räuspern müssen, halten Sie bitte ein Taschentuch vor den Mund. Dies dämpft die Geräusche um die Hälfte.
Diese Zeilen waren jüngst im Programmheft zu einem Konzert der Dresdner Staatskapelle unter Fabio Luisi abgedruckt – nur leider, leider nicht in Dresden, sondern in Frankfurt am Main. Die minimale Geräuschkulisse des Publikums im ausverkauften Saal der Alten Oper (2.800 Plätze) habe ich dort als sehr wohltuend empfunden. Woran mag es liegen, dass sich die störenden Huster in der Dresdner Semperoper in den letzten Jahren geradezu explosiv (!) vervielfacht zu haben scheinen? Verleiten die gestiegenen Ticketpreise dazu, ein Konzert um jeden Preis – und sei es mit Fieber und Keuchhusten – wahrzunehmen?
Der Soloabend der finnischen Sopranistin Soile Isokoski im Rahmen der Reihe „Weltstars in der Semperoper“ litt – wie viele andere Solo-Abende der jüngsten Zeit, etwa der des Pianisten Alfred Brendel zu den Dresdner Musikfestspielen – unter den ständigen Hustern. Irritiert blickte die Sängerin hin und wieder auf, wenn jemand gar zu arg krächzte; das nie versiegende Bächlein an mühsam unterdrückten Räusperern schwoll zwischen den Liedern zur bronchialen Symphonie. Wo Brendel während des Spiels noch missmutig ins Parkett linste, gar die rechte Hand zwischen zwei Melodielinien verzweifelt schwenkte und verkniffen den Kopf schüttelte, blieb Isokoski demütig – aber dem Abend war viel von seiner intimen Stimmung genommen. Eines steht jedenfalls fest: so werden wir Keith Jarrett nie nach Dresden holen…
Sicher, was die Auswahl des Programms betrifft, hat es Soile Isokoski sich – und dem Publikum – nicht einfach gemacht. Nur eine kurze Reverenz an den Liedkomponisten Franz Schubert, zwei hübsche Kompositionen und eine kleine Einlagenarie aus Le nozze di Figaro von Mozart, und dann begann der Abend so richtig interessant zu werden: fünf schwermütige Lieder von Jean Sibelius (in schwedischer Sprache) und danach ein Liederzyklus von Benjamin Britten, On this Island op. 11. Wann hat man schon Gelegenheit, die etwas holprige Naturlyrik eines Gustaf Frödling („Sie schrie, wie ein todwunder Schwan, / Im See sie verschwand, / Als Frühlingsgrünen zog durchs Land.“) oder die düsteren Elegien eines Erik Axel Karlfeldt („Sehnsucht heißt mein Erbteil, / Das Schloss in den Tälern der Entbehrung“) zu hören?
Wie ein kleiner Kulturschock mussten im Anschluss die Zeilen des jungen Dichters W. H. Auden wirken: von Autos, Kinderwagen und den „falschen Haltungen der Liebe“ wird da gesprochen; Britten vertont das plastisch, und bisweilen fast ironisch epigonal, als wolle er in einer neuen Welt doch irgendwie an Schubert, an Hugo Wolf anknüpfen. Geht nicht, natürlich nicht. Der Zyklus gleitet ins Groteske ab, wie eine springende Schallplatte endet das Lied Wie es ist, Überfluss in einem immerwährenden „final-final-final-final-final-final“. Fast ein bisschen zu gutmütig setzte das die langjährige Begleiterin Isokoskis, die Pianistin Marita Viitasalo, um; sie reizte die dynamische Palette, die an diesem Abend von den „flüsternden Erinnerungen“ in Längtan heter min Arvedel bis zum „Reißen und Schlagen der Flut“ (Seascape) reichte, mitnichten aus.
Herzlich dennoch der Applaus des Publikums, ein glücklicher Verehrer überreichte Blumen und wurde sogleich musikalisch beschieden: „Ich bin verliebt – nur eben nicht in dich!“