Jan Vogler (Foto: Kasskara)
In der Nutzung der wiedererstandenen Dresdner Frauenkirche sollen “ihrer historischen Funktion als Gotteshaus entsprechend, gottesdienstliche und kirchenmusikalische Veranstaltungen im Vordergrund stehen” – so bestimmen es die Leitlinien der Stiftung Frauenkirche.
Der heikle Spagat jedoch zwischen dem formulierten Anspruch, die Kirche solle “auch künftig primär ein Haus Gottes sein”, und der Tatsache, dass die Kirche mit bisher über eintausend hochklassigen Verkaufskonzerten zu einem der wichtigsten überregional ausstrahlenden Veranstaltungsorte geworden ist, darf dabei mitnichten übergangen werden.
Nicht vollständig gelungen war deshalb die Planung des “Dankeschön”-Konzerts am Samstag. Der für Ludwig Güttler eingesprungene Festredner nahm Bezug auf die Vielfalt der eingegangenen Spenden – “von der Oma, die uns von ihrer kargen Rente jeden Monat fünf Euro überweist, bis zu dem Dresdner Ehepaar, das uns eine eben gemachte riesige Erbschaft weiterleitete”. Auf die offensichtlichen Herausforderungen, die das proklamierte “Leben der Frauenkirche” dieser Tage mit sich bringt (vom nur ganz leise vorgebrachten Wahlspruch “Brücken bauen – Versöhnung leben” einmal abgesehen), nahm keiner der Festredner Bezug.
Interessant wäre es gewesen, hätten die Spender, die auch zu zukünftigem Engagement lebhaft aufgefordert wurden, einmal aktuell Einblick in die praktischen Herausforderungen der Gesellschaft bekommen. Hat sich die Entscheidung, statt einer originalgetreuen Silbermann-Orgel ein modernes Instrument in das rekonstruierte Gehäuse zu bauen, im Nachhinein als tragfähig erwiesen? Welche baulichen Nachbesserungen wurden bei der jüngsten Großputzaktion vorgenommen? (Schließlich deckt nach wie vor eine schwarze Plane die Kuppel der Kirche ab.) Und welche Möglichkeiten gäbe es, die äußerst problematische Konzertakustik der Kirche, die oft genug für enttäuschende Konzertbesuche sorgt, in Zukunft zu verbessern – sei es durch die optimierte Aufstellung der Interpreten, eine klügere Auswahl der dargebotenen Werke oder gar kleinere bauliche Eingriffe? Von alldem war zum „Dankeschön“-Konzert nichts zu erfahren. Schlimmer noch: die Programmauswahl der Organisatoren – und leider auch die Interpretation der Musiker – bewies, dass die bestehenden akustischen Probleme der Kirche bei weitem nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die eigentlich vonnöten wäre.
Vielleicht war es ja ebendiese Akustik, die Jan Vogler bei seiner Interpretation der zweiten Solosuite von Johann Sebastian Bach irritierte. Anfängliche Probleme der Bogenansprache, Intonationsschwachheiten besonders bei Doppelgriffen, eine weitgehend uninspirierte und mit einigen ärgerlichen Fehlern gespickte Lesart des Werks konnten das anwesende Publikum nicht begeistern; beim „Jewish Prayer“ des Komponisten Ernest Bloch und auch nach dem abschließenden, mit meisterlicher Verve vorgetragenen Boccherini-Konzert in D-Dur blieb es reserviert und applaudierte nach der kurzen Zugabe nicht einmal, bis der letzte Künstler der Camerata Bern von der Bühne verschwunden war. Überhaupt muss die Zusammenstellung des Programms – u.a mit einem Satz aus einer Mahler-Sinfonie und Bachs „Brandenburgisches Konzert“ Nr. 3 – seltsam unentschlossen genannt werden. Die Organisatoren schienen dem musikalischen Verständnis der Spender nicht über den Weg zu trauen, griffen lieber nach „dem meistgespielten Werk des Komponisten“ (Programmheft) als einem, das dem Sakralbau und dem Abend gerecht geworden wäre.
Jan Vogler schließlich hat sich in den vergangenen Jahren eine exzellente Reputation als Kammermusiker und Solist in Konzerten mit den besten Künstlern der Welt erarbeitet. Dass er sich für ein solch schütteres Programm zur Verfügung stellte, soll seiner Großmut als Dresden-Liebhaber angerechnet sein. Freuen wir uns auf seine frischen Ideen und seine Tatkraft als zukünftiger Intendant der Internationalen Dresdner Musikfestspiele ab 2009.
Martin Morgenstern