Peter Rösel (Foto: M. Ott)
Auf dem Programm am Pfingstsonntagnachmittag in der Semperoper: das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms, ein episches, an lyrischer Dichte kaum zu überbietendes Konzert, das die spätromantische Schwelgerei der Ecksätze mit einem
innigen Cellosolo im Andante vernäht. Peter Rösel sezierte die Partitur wie gewohnt mit messerscharfem Blick, kämpfte fast verbissen mit den spröden Akkorden auf einem Flügel, der sich schier zu klein erwies für die an ihm aufgewendete Kraft.
Rösel schien diesmal wenig Geduld haben zu wollen mit den Landschaften in später Abenddämmerung, die sich auf und zwischen den Notenzeilen hinziehen. Was ihn zu einem der besten Rachmaninow-Interpreten hat werden lassen – der kraftvolle, kristallklare Anschlag, die perlenden Arpeggien, die rhythmische Klarheit, die kluge Disposition der Binnentempi – das alles wandte sich an diesem Nachmittag eher gegen die Musik und verstellte die Sicht auf die melancholische Endzeit-Philosophie des Brahmsschen Konzerts.
Ähnlich rastlos klang das wunderbar komponierte Cellosolo; warum Hans-Jakob Eschenburg sich hier nicht die Zeit nahm, die so gesanglich komponierten Linien auszuspielen und stattdessen mit kleinem, zu raschem Vibrato und manieriert-schwankendem, stets etwas zu knapp wirkendem Bogenstrich arbeitete, bleibt unerklärlich. Der dichte, konzentriert-nervöse Ton des Orchesters unter einem Konzertmeister, der mitten im Kampf kurz seinen Bogen verlor, um hernach um so didaktischer zu leiten – dies alles machte die Musik der ersten Konzerthälfte wenig genussreich.
Umso befreiter jubelten die Musiker nach der Pause auf: Beethovens “Siebte”, und was für eine! In schier unglaublichem Tempo rasten die Recken dahin, angetrieben von Marek Janowski, der den Schlachtplan gänzlich im Kopf hatte, umso direkter Zugriff ausübte. “Die Jubelausbrüche … überstiegen alles, was man bis dahin im Konzertsaale erlebt hatte”, heißt es über die Uraufführung. Nun – in der Semperoper stieg schon so manch stürmischer Applaus, so manch jubelnder Bravoschrei zum Kronleuchter auf. Aber wie die Dresdner (wohl vor allem die Dresdner) “ihren” Marek Janowski nach der erzwungenen Abstinenz durch seinen Weggang im Zwist mit der Stadt feierten, wieder und wieder hervorklatschten, bis die Musiker schließlich zur Zugabe schritten, war herzerweichend – und verdient. Etwas wehmütig waren da wohl nicht nur die Musiker der Dresdner Philharmonie.
Martin Morgenstern