Das Finale ist Geschichte (Grafik: competizionedellopera.de)
Erst mal Entwarnung: Der vierzehnjährige Otello oder die frühreife Violetta sind nicht dabei. Ein deutscher Superstar ist nicht in Hörweite, und von einer möglichen Dresdner Cinderella-Netrebko-Story hat man auch nichts
gehört. Es soll aber verstärkt hingehört werden, wenn junge Reinigungskräfte im Logenbereich der Semperoper singen…
Der Ehrenpatron des diesjährigen Wettbewerbs, der Schauspieler, Regisseur und bekennende Dresden-Fan auf Opernbällen, Maximilian Schell, erinnerte im Pressegespräch an die filmreife Geschichte von der wunderbaren Entdeckung eines Stars in St. Petersburg, die so geschah, dass eine junge Reinigungskraft darum bat, dem Dirigenten Valery Gergiev ein Stück von Mozart vorsingen zu dürfen. Sie durfte, und den Rest der Geschichte kennen wir. Schell korrigierte alterweise auch noch kurz einen berühmten Philosophen; „Ich singe also bin ich“, sagt der Oscar-Preisträger und tröstet alle, die keinen Preis bekommen. Er sei ja auch lange in seinem Leben ein Verlierer gewesen.
Für die jüngste Teilnehmerin des Wettbewerbs in Dresden hat sich mit 18 Jahren der Erfolg schon etwas früher eingestellt. Mercedes Gancedo aus Argentinien erhält den besonderen Nachwuchspreis der Oscar und Vera Ritter Stiftung in Höhe von 3000 Euro. Mit ihrem schlichten Vortrag einer Arie aus Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ zeigte sie Talent, dem nun hoffentlich rechte Förderung angedeihen wird. Stepanie Atansov aus Österreich ist 25 Jahre alt und gehört schon dem Ensemble der Sächsischen Staatsoper an. Sie erhält den dritten Preis, was nicht sehr überrascht, war die Mezzo-Sopranistin doch schon im Semifinale konkurrenzlos in ihrem Stimmfach. Im Finalkonzert punktet sie mit Mozarts „Parto, parto, ma tu ben mio“ aus „La Clemenza di Tito“. Ihr Vortrag ist gediegen, ein wenig mehr Raffinesse noch wird nicht schaden. Der dritte Preis ist mit 4000 Euro dotiert, mit 6000 Euro der zweite, der geht an Krenare Gashi aus dem Kosovo, wo die 1985 geborene Sopranistin auch ihre Studien begann, die sie inzwischen an der Musikhochschule in Detmold fortsetzt. Frisch, fulminant und mit überzeugendem Ausdruck singt sie die Arie der Liu aus Puccinis Oper „Turandot“, „Tu che gel sei cinta“. Ihr Vortrag lässt offenbar die Mitglieder der Jury, die per Mehrheitsvotum flott entscheiden, ganz und gar nicht kalt. Das Publikum ist außerordentlich begeistert, und so ist es nach dermaßen enthusiastischem Beifall keine ganz große Überraschung mehr, dass sich für Krenare Gashi das Preisgeld um die 3000 Euro des Publikumspreises, ausgereicht von der Walter und Charlotte Hamel-Stiftung, erhöht.
Ein Gesangswettbewerb der italienischen Oper ohne Tenor? Schwer vorzustellen. Von den wenigen Kandidaten aber, die es bis in die Runden des Semifinales schafften, kommt einzig der amerikanische Tenor Thomas Russel ins Finale. Als Macduff aus Verdis „Macbeth“, mit der Arie „O figli, o figli miei!“, erringt der 1976 in Miami geborene Sänger den ersten Preis in Dresden, der mit 10.000 Euro ausgestattet ist. Die Summe der drei Preise stiftet das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Staatsministerin Eva-Maria Stange kommt, entgegen vorausgesagter Absage, persönlich. Sie lobt alle und alles in ihrem ausführlichen Grußwort und ist im Ganzen stolz darauf, dass der internationale künstlerische Nachwuchs hier so gut und völlig selbstlos gefördert wird. Nicht vergessen sei der Dank an verlässliche Sponsoren, die Bayerische Hypovereinsbank sowie die Traditions- und Präzisionsfirma Lange &Söhne aus Glashütte.
Als Förderpreise zu verstehen sind mehrere Gastspieleinladungen für Finalisten durch die Vertreter renommierter Opernhäuser und Festivals. Gastspiele, Engagements oder die Aufnahme ins Opernstudio bietet das Theater Bremen, dessen Generalintendant und Wettbewerbsleiter Hans-Joachim Frey seit der Gründung 1996 in Hamburg dessen Entwicklung wesentlich prägt und trägt. MDR Figaro sendet das von Bettina Volksdorf moderierte Konzert am 20. September, um 19.30 Uhr. Unter der Leitung von Daniel Montané werden die Sängerinnen und Sänger von Mitgliedern der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern begleitet.
Der im Voraus schon so hoch gelobte Wettbewerbsjahrgang konnte im Konzert der nominierten Finalisten den vorgegebenen Erwartungen nur bedingt gerecht werden. Die Frage muss daher erlaubt sein, ob im Sinne des selbst gestellten Anspruchs immer alle Preise um jeden Preis vergeben werden müssen.
Boris Michael Gruhl
Eine Textfassung des Artikels ist am 15.9. in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abzudrucken.