Herbie Hancock ist der vielleicht berühmteste Jazzpianist und -Keyboarder der letzten vierzig Jahre überhaupt, zumindest, wenn es um das Gebiet des Modern Jazz, des Jazzrock und des Fusion Jazz geht. Spätestens Hancocks Mitgliedschaft im Quintett von Miles
Davis von 1963 bis 1968 machte den Musiker weltberühmt, der seither zahllose bestverkaufte Schallplatten unter eigenem Namen herausgab, Jazz-Superhits wie „Cantaloupe Island“, „Rock it“, „Chameleon“ und „Watermelon Man“, aber auch weltumspannende Werbemusik (z. B. für Chevrolet, Standard Oil oder Eastern Airlines) sowie anspruchsvolle Filmmusik (z. B. für Antonionis berühmten Film „Blow Up“, 1966) schuf.
Noch in den sechziger Jahren galt Hancock als das pianistische Alter Ego von Miles Davis innerhalb des zweiten Quintetts des Trompeters, in dem damals außerdem noch Wayne Shorter, Ron Carter und Tony Williams musizierten. 1968 verließen Hancock und Ron Carter diese Davis-Band und wurden durch Chick Corea und Dave Holland ersetzt. Während sich Miles der Entwicklung einer eher vom modalen Jazz geprägten, hochdifferenzierten Fusion aus Jazz und Rock zuwandte („In A Silent Way“, mit Hancock als Gast), „Bitches Brew“), machte sich Herbie Hancock zunächst als Komponist selbstständig, gründete schließlich 1973 seine Pop- und Funk-beeinflusste Band Headhunters, mit der er die gleichnamige LP einspielte, eines der kommerziell erfolgreichsten Alben der Jazzgeschichte überhaupt.
Hancock, der nach eigenen Aussagen sehr auf die Funk-Music von Sly and the Family Stone stand, prägte seither stets die im Vergleich zu Davis mehr Hit- und Pop-orientierte, funky Variante einer Fusion von Jazz und Rock. Nicht von Ungefähr gipfelten diese künstlerischen Aktivitäten 1983 in einem Grammy für die weltweit erfolgreiche Hit-Single (!) „Rock it“, eine für einen Jazzmusiker außerordentlich bemerkenswerte Auszeichnung. Mitte der siebziger Jahre bereits hatte Hancock die Mitglieder des zweiten Miles-Davis-Quintetts – aber mit Freddie Hubbard anstelle von Davis – zusammengerufen; als lose Gruppe spielten diese Musiker unter dem Namen „V.S.O.P.“ bis zum Ende der Achtziger mehrere Platten ein, gaben umjubelte Konzerte und verdeutlichten, dass Hancock auch wieder im „akustischen“ Bandkontext künstlerischen sowie kommerziellen Erfolg hat.
Nach Filmaufnahmen 1986 sowie verschiedenen akustischen Projekten in den neunziger Jahren („A Tribute to Miles“, „1+1“ im Duo mit Wayne Shorter gewinnt Hancock schließlich 2008 für die CD „River: The Joni Letters“, einer Hommage an Joni Mitchell, sogar zwei (!) Grammys – als „Bestes Jazz Album“ und sogar als „Bestes Album des Jahres“. In seiner Musik flammen verschiedene Farben auf, von Modern Jazz über Filmmusik, Funk und Rock, von Balladen und country-ähnlichen Songs bis zu Folk. Eine individuelle Melange, die die vielfältigen Klänge Amerikas in sich birgt.
Nach Dresden in die Semperoper kommt Hancock am 7. Oktober um 21 Uhr. Die Besetzung: Herbie Hancock (p); Terence Blanchard (tp); James Genus (b); Lionel Loueke (g); Gregoire Maret (Mundharmonika); Kendrick Scott (dr).
Mathias Bäumel