Nun haben auch die Jazzer der Dresdner Musikhochschule den neuen, architektonisch freigeistig wirkenden Konzertsaal eingeweiht. Mit einer „Jazztaufe“, also einem opulenten Konzert vorgestern Abend, brachten Dozenten und Studenten die Vielfalt dessen, was in der Abteilung „Jazz, Rock,
Pop“ gelehrt und gelernt wird, zum Klingen. Eine Dozenten-Band – zunächst mit Baby Sommer, dann mit Michael Griener am Schlagzeug – bot blitzsauberen Modern Jazz und Mainstream, gefiel auch durch interessante Kompositionen und farbige, flächige Arrangements („100+8“).
Der Wechsel am Schlagzeug machte auch einen grundsätzlichen Wechsel bei der Ausbildung junger Jazzer deutlich: Baby Sommer, der ja bereits im Juli 2008 mit einem großen Abschiedskonzert auf dem Dach des Parkhauses des Universitätsklinikums als Hochschullehrer ausgeschieden war, übergab symbolisch die Trommelstöcke wie einen Staffelstab an Michael Griener, der am vorgestrigen Konzertabend vom HfM-Rektor Stefan Gies den Titel eines Honorarprofessors verliehen bekam und der von nun an auch offiziell die Geschicke der Jazzdrummer-Ausbildung leitet. Eingeweihten ist Griener längst ein Begriff, und angesichts dieser Personalie darf gehofft werden, dass der von Baby Sommer einst an der Hochschule eingeschlagene Weg ins geistig Freie in spezifischer Weise fortgesetzt werden wird.
Dass der Begriff „Jazz“ (immerhin: es ging um eine Jazztaufe), ja sogar die Begriffe „Rock“ und „Pop“ vorgestern abend stilistisch sehr weit gefasst waren, konnte man hören, als sich Akustik-Worldmusic-Gitarrist Thomas Fellow und der Jazzgitarrist Stephan Bormann in ihrem Duo „Hands on Strings“ begegneten. Brillant gespielte Crossovers, die beide Bereichen miteinander verschmolzen, begeisterten die Zuhörer und erinnerten manch nicht mehr ganz jungen Zuhörer an die „Freitagsnächte in San Francisco“. Beginnend mit dem Fado „Meu amor, meu amor“, einem Stück aus dem Repertoire der großen Amália Rodrigues, das in den letzten Jahren immer wieder durch Cristina Branco populär gehalten wurde, stieg Gesangsprofessorin Céline Rudolph ein und faszinierte mit ihrer Vorliebe für Portugiesisches, Brasilianisches und Afrikanisches.
Ein Studentenensemble musizierte nach der Pause. Dabei war die Vorliebe der Youngster – die, wie beispielsweise der vorzügliche Drummer Demian Kappenstein, alle schon während des eigentlichen Studiums ständig Praxisluft schnuppern – für Fusion- und Rockjazzklänge deutlich zu hören; Stücke der Yellowjackets und der Dave Weckl Band waren stilistisch offenbar das, womit sich die Jungs am wohlsten fühlten, fügten zudem dem Spektrum des Gesamtkonzerts eine weitere Farbe hinzu.
Der Höhepunkt war zweifellos der Auftritt der Hochschulbigband mit Günter Baby Sommer – die Fulminanz, die Spielfreude, der Sinn für Ausflüge ins Freie ebenso wie ins Humorvolle machten klar, was dennoch den Jung-Jazzern der Hochschule künftig zunächst fehlen wird: Sommer ist in seiner Eigenschaft, Inspirator, „Antreiber“ und Lustmacher zu sein, schwer zu ersetzen. Dass junge Leute seine Stücke „Blues für I. M.“ (bitte sehr: hat nichts mit der Stasi, sondern mit dem Bodensee zu tun!), „Nicht gewollt“ und „Hymnus IV“ (der ein klein wenig an den getragenen Gestus von Charlie Hadens „Song for Che“ erinnerte), die teils schon Jahrzehnte auf dem Buckel haben, so fetzig und rasant spielen, ist durch Babys Handschrift geprägt. Fazit des Abends: Keiner ist nass geworden, Taufe dennoch gelungen.
Mathias Bäumel
Der Artikel ist am 5. November in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abzudrucken.
(Fotos: Martin Morgenstern)