Der Blick nach Westen: mit Fabio Luisi geht es auf Tournee (Foto: M. Creutziger)
Mit dem “romantischen Kernrepertoire” reise man in den nächsten Tage in die Vereinigten Staaten, teilte die Sächsische Staatskapelle unlängst mit. Dort wird sie
zu Gast bei Freunden sein: mit dem Solisten Jan Vogler in New York, oder in Chicago, wo Bernard Haitink das ansässige Orchester leitet (das Fabio Luisi übrigens kurz vor Weihnachten durch die Symphonie Fantastique steuern wird). Von Dresden verabschiedet sich die Kapelle dieser Tage mit einem Programm, das die grünen Grenzen dieses Repertoires auslotet: mit Schuberts “Unvollendeter” (geschrieben 1822, uraufgeführt 1865) und Mahlers “Fünfter” aus dem Jahr 1904.
Vollendet ist die Interpretation des zweisätzigen Sinfonie-Fragments von Franz Schubert. Luisi dirigiert sie auswendig; wie er anfangs die Bläsersoli als Hoffnungsschimmer über dem leisen Raunen der Bässe, über der weichen Sechzehntel-Schneelandschaft der Streicher aufblühen läßt, dürfte den Amerikanern gefallen. Das Orchester hat Zeit, die Themen abzuwägen, drohende Konflikte zu bedenken. Die vorgeschriebenen Akzente formt Luisi zu bronzenen Wegmarken, die den Hörer leiten, nicht schroff abweisen.
Streng durchhörbar legt der Dirigent auch die ungleich komplexere Struktur der “Fünften” Mahlers an. Die Aushebungen in den Streichern, die glänzenden Blechbläsersätze, die solistischen Einsprengsel der ersten Pulte – alles ist gut geputzt, nichts zu laut oder zu leise, wollte sich aber in der ersten Aufführung am Sonntagvormittag noch nicht recht zu einem pulsierenden Organismus fügen. Schade, dass die heuer offenbar unvermeidliche Respektlosigkeit der Musik und den Musikern gegenüber – ein klingelndes Handy, ein im Hinauseilen noch türenknallender Blödian – ausgerechnet in die allerersten Takte des golden glänzenden Adagios platzte. Wer konnte, wer wollte da noch mit Muße zuhören?
Auf der Tournee, die das Orchester über Frankfurt auch in Orte wie Champaign, Bloomington und Greenvale führen wird, sind neben den beiden Werken, die morgen und übermorgen noch einmal auf dem Plan stehen werden, Richard Strauss’ “Don Quixote”, das “Heldenleben” (wieder mit Originalschluß), Brahms’ vierte Sinfonie und Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 (mit Rudolf Buchbinder) zu hören. Bliebe zu wünschen: gute Reise, ein verständiges Publikum unterwegs und ein noch disziplinierteres zuhause.
Martin Morgenstern
5. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden
10.11., 20 Uhr
11.11., 20 Uhr