MotionManual mit „Body of Work“ in der kleinen szene (Foto: Lucy Barker)
Zwei Menschen, aber ein Körper. Regelrecht verknüpft ineinander sind die beiden Tänzerinnen zu Beginn einer so wunderlichen wie letztlich aber wundervollen Stunde des internationalen
Künstlerkollektivs „MotionManual“ mit seiner Inszenierung „Body of Work“ in der kleinen szene der Sächsischen Staatsoper. Zu den zwei Frauen kommen zwei Männer. Verspielter Auftritt, auf allen Vieren, um sich dann zu einem Wesen mit vier Beinen und vier Armen zu fügen. Vier Menschen, zwei Körper. Hallo Platon! Das folgende Solo eines Tänzers zum Rhythmus seines Atems könnte „Ich atme, also bin ich“ heißen. Es führt auf einen der vielen Pfade, auf denen im Verlauf des Abends Amy Butler, Daliah Touré, Bobak Walker und Axel Krygier in der gemeinsam unter der Leitung von Manuela Berndt geschaffenen Choreografie sich auf Körpererkundungen begeben werden.
Der eigene Atem, in ruhigem Fluss, hektisch herausgestoßen oder begierig eingesogen, spielt immer wieder eine entscheidende Rolle, gibt Tempo und Pausen vor. Spiegelungen führen zu minimalen synchronen Momenten, die in fließenden Übergängen sich individuell verändern und doch Motive der Gemeinsamkeit behalten. Und immer wieder verknotete Formen, zu zweit und auch allein mit dem eigenen Körper. Verblüffend der Wechsel von Tempo und Ruhe, von flinker Abfolge minimalster, scharf rhythmisierter Bewegungen, unverhofft abgelöst von weichen, fließenden Passagen oder spielerischer Heiterkeit, wie die irrsinnig drehende Walzerparaphrase eines Tänzers auf Knien. Dann wieder entstehen Bilder aus Haut unter Glas, wenn eine Scheibe auf Gesichter, Arme oder Bauch gepresst wird. Die Körper und ihre Bilder, die Wege der Tänzerinnen und Tänzer zu ihren Körpern, die sie in diesem theatralen Ritual öffentlich erkunden, was dazu führt, dass performative Offenheit der Prozesse dazu gehört. Zum einen arbeiten sich die Protagonisten aneinander ab und miteinander vor auf den Erkundungspfaden zur eigenen Körperlichkeit im Spiegel der anderen, zum anderen lassen sie sich begleiten von der Inspiration der Werke von Ana Mendieta, 1948 auf Kuba geboren, 1985 in New York aus dem 35. Stock in den Freitod gesprungen. Die Künstlerin wurde bekannt durch skulpturale Eingriffe in die Landschaft, sie brachte den eigenen Körper oder dessen gespenstisch wirkende Silhouette in Beziehung zur Natur, formte Frauenkörper oder deren Umrisse im Sand und schuf so dem Tanz verwandte Kunst aus Vergänglichkeit. Ana Mendietas Motive werden als Projektionen einbezogen, zum Leben erweckt als Bilder auf der Haut ihrer Entdeckerinnen und Entdecker. Dieser Abend, musikalisch mit etlichen Stilrichtungen unterlegt, bleibt in der Erinnerung eher als eine Abfolge stiller Bilder, ist aber in der Nach- und Langzeitwirkung umso intensiver.
Boris Michael Gruhl
Eine Textfassung des Artikels ist am 3. Februar in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.