Jazz mag nicht in Worte zu fassen sein – vielleicht in Bilder? (Foto: M.M.)
In jedem Theater ist der Blick hinter die Kulissen von besonderem Interesse. Dresdens Semperoper hat hierfür eine besondere Reihe etabliert:
„Hinter der Maske“ werden Macher und Mitwirkende porträtiert, die sonst nicht im Scheinwerferlicht erscheinen. Mitte April stand wer im Mittelpunkt, der sich sogar hinterm Licht, hinter dem Blitzlicht verbirgt.
Doch Theaterfotograf Matthias Creutziger, um technisch korrekt zu bleiben, ist in seinem Metier ein Purist. Die meisten Fotografien entstehen ohne künstliche Leuchten, sondern leuchten kunstvoll aus dem Moment ihres Entstehens heraus. In der zur Sächsischen Staatsoper gehörenden Spielstätte kleine szene stand er Rede und Antwort, allerdings diesmal nicht zu Künstlerporträts und Szenenbildern aus der Welt des Musiktheaters, nicht zu Ballett, Oper und Staatskapelle, nicht einmal zum musealen Haus, in dem er seit 2003 spartenübergreifend tätig ist – diesmal ging es um seine Liebe zum Jazz. Diese Art von Musik sei unbeschreiblich, gestand er ein, wie ein Gefühl, für das es keine Worte gibt. Das Wort Fotografie passe von seinem Ursprung her denn auch sehr gut zu diesem Metier: Zeichen des Lichts, Lichtzeichen gar, die müssen ebenso wortlos wirken.
Bei Creutziger wirken sie, soviel steht fest. Unzählige Veröffentlichungen in Tageszeitungen und Fachpublikationen, auf Plattencovern, Plakaten, in Büchern und Bildbänden legen beredt Zeugnis ab sowohl von seiner Professionalität als auch von der Portion Besessenheit, die wohl dazugehört, dazugehören muss. Dabei hat der 1951 in sächsischer Provinz geborene Fotograf, dem Henri Cartier-Bresson als wichtiges Vorbild gilt, zunächst ganz andere Ziele im Blick gehabt. Einer Ausbildung zum Bauingenieur folgten journalistische Schreibversuche in Sachen Jazz, bald aber verschrieb er sich als Publizist dem bildnerischen Medium. Meilensteine der Jazzfotografie sind ihm zu verdanken, weltberühmt etwa das in der Oper Leipzig entstandene Porträt von Michel Petrucciani.
Semperoper-Dramaturgin Katharina Riedeberger moderierte charmant und spürbar angetan von ihrem Gesprächspartner, dem sie interessante Innensichten entlockte. Doch der Abend war mehr als Frage und Antwort, mehr als Preisgabe von beruflicher Freundschaft. Es wurde eine Auswahl wesentlicher Arbeiten von Matthias Creutziger projiziert, unter anderem auch Graffiti-Abbilder städtischer Landschaft, obendrein musizierte der Künstlerfreund Joe Sachse, improvisierte gar zu einer Bildserie zum spanischen Toledo, was überraschende Flamenco-Anklänge evozierte.
Applaus für diese wahrhaftige Musik, Beifall für das ungekünstelt lebensnahe Gespräch, Chapeau auch dem Weinfreund, der im sauertöpfig-lößbödigen Sachsen einen Merlot kredenzte, aus dem ein unbeschreibliches Gefühl sprach. Vielleicht das des nicht in Worte zu fassenden Jazz?
Michael Ernst