“Gefühl der Leere in flüchtigen Zeiten” (Foto: PR)
“Rituale” ist die von Heike Hennig inszenierte und choreografierte kleine Tanzoper betitelt, mit der die “Kernwoche” der Dresdner Tanzwoche – nach den Willkommensveranstaltungen der letzten Tage –
seit gestern eröffnet ist. Hennig präsentiert Tänzer und Musiker mit Ritualen, wie sie im Alltag nun mal meistens stattfinden: ins Leere laufend, bruchstückhaft, melancholisch der Erinnerung an bessere Zeiten verhaftet, manchmal (zu selten!) sogar ein bißchen ironisch; aber nie perfekt und clean und von vorn bis hinten.
Das weckt liebesvolles Mitgefühl: wenn Gesine Nowakowski (Sopran) während einer Händelarie eine Tänzerin sehr vorsichtig aus einem Krug begießt. Oder wenn sich die Künstler um ein toll knisterndes Lagerfeuer (DJ cfm) aus barocken Instrumenten scharen. Oder die Sängerin sich, während andere noch im Klang versunken sind, einen lautstark zischel-knattrigen Espresso aus der Maschine zieht. Andere Rituale, Willkommen und Abschied, Hektik und Träumerei, werden nicht sicht- sondern nur hörbar.
Es sind nur kleine Ärgerlichkeiten, die die Nummernfolge mit mal besseren, mal schlechten Losen sympathisch an der Perfektion vorbeischrammen lassen. Nicht zu Ende gedachte Dramaturgielinien: die durchnässte Tänzerin zieht sich nicht etwa um (vor oder hinter der Bühne, wäre ja egal), sondern macht ein klitzekleines Drama aus ihrer Schüchternheit – das sich aber leider nicht in die Dramaturgie fügt und in gänzlich unbarocker Verklemmtheit mündet. Der erwähnte Espresso wird in den Bühnenhintergrund getragen und erkaltet unbeachtet (umso ärgerlicher, da köstliche Kaffeedüfte von der restlichen Inszenierung ablenken).
Die vier Tänzer (Joy Alpuerto Ritter, Helene Sophie Weaver, Carlos Osatinsky, Fernando Nicolás) sind sich ihrer Choreografien fast sicher – aber eben nur fast, was die gemeinsamen Figuren wackelig und das Timing etwas holprig macht. Nicht zuletzt bestätigt das Stück die alte Regieweisheit: binde nie professionelle Musiker in getanzte Choreografien oder Sprechrollen ein. Es wird, es muß scheitern, weil sie ein für solche Unternehmungen ungeeignetes Verhältnis zu Stimme und Körper haben. Wenn sie dann noch Aktionen ausführen sollen, die sich weder ihnen selbst noch dem Publikum erklären (so hält etwa eine Geigerin verschämt-unmotiviert ihr stummes Instrument einige Minuten lang in die Luft), denkt man: leider vergeigt.
Martin Morgenstern
Ausgewählte Veranstaltungen:
“OOOrpheus”, am 23./24.4. je 21 Uhr im projekttheater
“iiris”, am 24./25.4. um 19 bzw. 21 Uhr im projekttheater
“Die dicke Frau”, 27./28.4. um 21 bzw. 19 Uhr im projekttheater