Mixte aus "C-A-F-F-E-E" einen süffigen Cocktail: Gabriela Montero (Foto: Sheila Rock)
Ein donnernder Busoni, sechs Brahmssche Klavierstücke (op. 118) und eine unglaublich virtuose Klaviersonate des argentinischen Komponisten Alberto Ginastera (1916-1983) waren schon vorbeigerauscht, da wünschte sich ein Zuhörer ausgerechnet "Summertime". Wer da innerlich aufseufzte und fürchtete, das pianistische Niveau der Venezuelanerin Gabriela Montero würde nun wohl unwiderruflich absinken, wurde schnell eines besseren belehrt: meine Güte, was gewann Montero in ihrem Vormittagskonzert ("Normalerweise hasse ich es, morgens zu spielen; aber heute geht’s") dem abgelutschten Klassiker in ihrer spontanen Improvisation noch alles ab! Im Bachschen Präludier-Stil extemporierte sie Gershwin barock, schreckte nicht vor vielstimmigen Fugati und Interludien zurück. Aus Carl Gottlieb Herings "C-A-F-F-E-E" wurde eine polyrhythmische, lateinamerikanische Tarantella (weil Montero aus dem vielstimmig vorgesungenen Kanon ein Viertel wegließ und tatsächlich über "C-A-F-F-E" improvisierte, und aus Mozarts "Komm, lieber Mai und mache…" eine ganze lyrische Suite durch viele Harmonien und Denkungsarten, die die ausverkaufte (!) Semperoper zum Kochen und das Publikum schlußendlich zu stehenden Ovationen verleitete.
Wäre das nicht interessant: eine Improviationsrunde in jedem größeren Klavierwettbewerb? Vielleicht eine Möglichkeit, in Zukunft auch wieder kreatives Talent und nicht ausschließlich stupende technische Perfektion in der mehrheitsfähigsten und damit langweiligsten Interpretation auszuzeichnen?
Anders Winter