Opulenz des Klanges und der Bilder… (Foto: M. Creutziger)
Hans Werner Henze, der deutsche Komponist, der in Italien lebt; fast 83 Jahre alt, ist er ein Mann des Theaters. Seine Opern „Der Prinz von Homburg“ und
„Der junge Lord“ sind Welterfolge. Über 30 Bühnenwerke dürften es sein, die zusammen mit anderen Genres den Ruf Henzes als den eines der bedeutendsten Komponisten des 20. und des 21. Jahrhunderts belegen. Als im Jahre 2003 bei den Salzburger Festspielen die Oper „LUpupa und der Triumph der Sohnesliebe“ uraufgeführt wurde, war die Rede von seiner letzten Oper, er nannte sie selbst ein wenig „zauberflötig“, man sprach von einer Abschiedsgeste. Inzwischen wurde die Oper „Phädra“ mit dem Text des Dresdner Dichters Christian Lehnert in Berlin uraufgeführt, und das Team arbeitet derzeit an einem neuen Werk.</span><br /><br />Zu „L
Upupa und die Sohnesliebe“, ein deutsches Lustspiel, 11 Tableaux aus dem Arabischen, so der Untertitel, schrieb Henze den Text selbst. „L`Upupa“, das ist ein Vogelweibchen, eine prächtige „Wiedehöpfin“ im goldenen Käfig, das Lebenselixier eines alten Mannes, das entflieht, als er es besitzen will und danach greift. Dann folgt ein globales Märchenmotiv dem anderen. Er schickt seine drei Söhne aus, den Vogel zu finden. Ein Nichtsnutz, ein Schlitzohr, der Jüngste wohlgeraten. Die Tunichtgute beenden ihre Reise bald. Der Dritte wird den Vogel finden, eine Prinzessin befreien und eine Zauberkiste erringen, die per Passwort zu öffnen und zu schließen ist.
Ein Prüfungsmärchen, eine Lebensreise, Abgründe und Gefahren inbegriffen. Der junge Mann ist unerschrocken, aber nicht allein. An seiner Seite ist sein Dämon, ein Vogelmensch, ein Schutzengel, am Ende ein Freund. Das Märchen hat einen wunderbaren, offenen Schluss. Der Vater lässt den Vogel frei, der Sohn lässt Vater und Braut zurück. Seine Reise ist noch nicht zu Ende, jetzt da der Stillstand droht, macht er sich erneut auf den Weg, seinem Dämon die versprochenen Äpfel vom Baum des Lebens zu bringen.
Deutsch sei dieses Lustspiel, so Henze selbst, weil er als Deutscher dieses ganz zauberhafte Märchen nacherzählt, gedichtet und musikalisch entfaltet habe. Und wunderbar klingt seine Musik, mit der wir im Verlauf des Abends eine so zauberhafte wie märchenhafte Reise durch etliche Epochen und Stile unternehmen. Flirrende, changierende, bisweilen regelrecht duftende Musik. Dem Orchester werden Geräusche zugespielt, Vogelstimmen, Flügelschlag, geheimnisvolles Rauschen, das Trappeln von Pferdhufen, nicht gleich definierbare Klänge mischen sich darunter. Die Partitur ist filigran, melodische Passagen, akzentuiert vom Schlagwerk, vom Klavier, selbst mächtigen Orgelklang gibt es. Vielfältig sind die Formen des Gesanges, erzählende Monologe, ariose Passagen, zusammengeführte Stimmen, ein kleiner Chor, für Blumen, Gegenstände und Personal. Und wenn man sagen möchte, dass klingt ja wie…kommt schon die nächste Phase. Man lässt das Raten also lieber, gibt sich dem Fluss des Klangmärchens hin und wird belohnt von dessen magischen Stimmungen. Am Ende, wenn der Wundervogel frei ist, wenn der Vater versöhnt zurück bleibt, es den Sohn in neue Fernen zieht, dann wird nicht mehr gesungen. Dann wird das Werk zum reinen Klang, ein traumverlorener Instrumentalsatz, der ins Schweigen führt.
Regisseur Nikolaus Lehnhoff erzählt den Gang der Handlung klar und übersichtlich. Man kann gut folgen, dabei eigene Passworte finden für die eigene Schatzkiste der Erinnerungen und Märchen. Lediglich die holpernd zusammengeschnipselten, unprofessionell zeitversetzten deutschen Übertitel stören empfindlich.
Roland Aeschlimann hat eine beeindruckende Bühne aus vielen Treppenaufbauten entworfen, die sich beständig dreht, immer wieder bildkräftige Überraschungen bereit hält. Abgründe, Paläste, einsame Gegenden, den tiefen Schacht eines Brunnens, Stationen einer Lebensreise, die nimmer endet, weil jeder Anstieg neuen Ausblick bringt, und einen neuen Horizont. Andrea Schmidt-Futterer hat ins Volle gegriffen und aus edlen Materialien wunderbunte Kostüme entworfen. Zur Opulenz der Bilder kommt die des Klanges. Hier widmen sich hervorragende Musiker dem Werk, und es klingt einfach edel, wenn die Staatskapelle unter der Leitung von Stefan Lano spielt. Wunderbares Ebenmaß, Lust am Außergewöhnlichen, und volle Hingabe, gekrönt vom kammermusikalischen Finalsatz.
Ein solches Werk lebt mit dem Ensemble, das sich seiner annimmt, und das ist – zunächst mit der Grundlage eines solchen Orchesters – dann aber mit den hervorragenden Solisten in der Dresdner Aufführung ausnahmslos zu bewundern. Hier wird prächtig und lustvoll gesungen. Berührend der alte Mann des Wolfgang Schöne, der schlitzohrige Gesang des Countertenors Jacek Laszkowski als einer der beiden Brüder, der von Henze bis in die Lagen des Soprans geschickt wird. Dem anderen Tunichtgut schenkt Georg Zeppenfeld profunde Basstöne. Verblüffend der virile Ausnahmetenor John Mark Ainsley als Dämon mit der weichen Seele. Den „guten“ Sohn gestaltet Marcus Butter mit jugendlich heldischem Baritonklang. Claudia Barainsky, als jüdische Prinzessin, eine kesse Pippi Langstrumpf in Tüll, entzückt mit glasklaren Tönen aus höheren Regionen. Dass Christa Mayer unter Kostüm und Maske des uralten Sultans Malik steckt, kann man lediglich hören und Jaques-Greg Belobo gibt den geläuterten Tyrannen des Nachbarstaates.
Ein Märchen mit viel Weisheit, mit etlichem Humor, ein Musiktheater, das man sich gönnen sollte, auch wenn manches ungewöhnlich klingen mag. Wer sich darauf einlässt, wird beschenkt. Ums Verstehen geht es weniger, eher darum mitzugehen, ein Stück auf dem Weg eines anderen, in dem Falle den des Komponisten Hans-Werner Henze, um dann eigene Wege zu finden. Augen auf, Ohren auch, und aufgepasst, die Überraschung ist immer da, wo wir sie nicht vermuten.
Boris Michael Gruhl
Nächste Aufführungen: 22., 28. 6.; 2. 7.
Eine Druckfassung des Textes ist in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.