Lag’s an der Elternzeit, lag’s an der Bescheidenheit? Der junge Tenor Frank Oberüber war bei den letzten Premieren der Staatsoperette immer als zweite Besetzung eingeteilt, rutschte also meist unter dem Presseradar der Zeitungen hindurch. Was er ganz pragmatisch sieht: “Wenn der Kollege, mit dem ich mir die Rolle teile, einen Großteil der Proben abreißt, soll er auch das Vergnügen der ersten Vorstellung haben!” So hielt er es als Graf Panatellas in “La Perichole”, als Advokat Dr. Blind in der “Fledermaus” oder jüngst als Schmuggler Remendado in “Carmen”. Zur “Rössl”-Premiere letzten Freitag kam das Premierenpublikum endlich in den Genuss, den sympathischen Buffo in der heimlichen Hauptrolle des Abends – als Zahlkellner Leopold – zu erleben. Aber auch für die Zweitbesetzung hat sich Oberüber mit einer Rolle gewappnet: in der launigen Revue-Operette ist er abwechselnd mit Marcus Günzel auch als der schöne Sigismund zu erleben.
1974 wurde Oberüber in Freiberg geboren, übernahm am dortigen Theater kleinere Rollen und sang im Chor mit. Schon während seines Gesangsstudiums an der Leipziger Musikhochschule unterhielt er quasi ein “eigenes Opernstudie” an der Musikalischen Komödie. “Ich bin eben ein Bühnenmensch”, schulterzuckt er verschmitzt, “und auf der heiteren Schiene habe ich die Nische entdeckt, die mir Spaß macht”. Die Kirchenkonzerte sollen lieber die Kollegen übernehmen. Als der vielbeschäftigte Tenor damals für eine weitere Gastrolle in Leuben vorsang, schlug der Intendant sofort zu und engagierte ihn, der gerade Gastrollen in Gera, Zwickau und Plauen sang, gleich fest am Haus. Drei Tage nach der Premiere warf er “noch schnell sein Diplom in den Hochschulsaal, wollte dieses Kapitel einfach so schnell wie möglich zu Ende bringen”. Oberüber macht keinen Hehl daraus, dass er dem Ausbildungssystem der Hochschule skeptisch gegenübersteht. “Das ist so praxisfern… Manche Lehrer kamen mir vor wie Blinde, die vom Sehen sprechen.” Immerhin, sein eigener Gesangslehrer half ihm sehr, brachte ihm die Tricks bei, die es erlauben, auf dem engen Markt zu überleben.
Na dann, Herr Oberkellner, wie halten Sie’s mit der aktuellen Inszenierung, die ja als Wiedererstaufführung einer viel spritzigeren, jazzigeren Fassung nach in Zagreb gefundenem Notenmaterial angekündigt ist? Oberüber wiegt den Kopf. “Aus Sicht der Sänger gibt es große Probleme mit dieser Fassung. Wir singen mit Mikroport, es gelänge sonst gar nicht, gegen das dicke Orchester so locker-leicht zu bleiben wie nötig. Und diese Nachtänze! Die dauern manchmal acht Minuten, diese Zeit gilt es natürlich auszufüllen…” Aber auch positive Seiten kann der Sänger der neuen alten Fassung abgewinnen. Das Stück müsse sich wahrlich nicht verstecken, sagt er fast ein bisschen stolz, es sei tatsächlich viel bissiger als die weichgespülte Version, die landauf, landab gespielt wird. Klar, die aktuelle Inszenierung sei nicht mit dem Anspruch angetreten, die Probleme dieser Welt zu besprechen. Da wünsche er sich manchmal schon ein Augenzwinkern mehr. “Aber das ist vielleicht auch nicht Sinn und Gegenstand unserer Arbeit. Wir machen eben Unterhaltung auf hohem Niveau. Und das machen wir richtig gut!”
Anders Winter
Eine Druckfassung des Textes ist in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.