Picknickdecken, Liegestühle dicht an dicht: auch zur zweiten Auflage von “Klassik picknickt”, der Open-air-Nacht der Staatskapelle vor der Gläsernen Manufaktur, strömten die Dresdner in hellen Scharen. Von der gut durchgeplanten Logistik (bei einem sicherlich nicht unbedeutenden Budget) können andere Veranstalter nur träumen: freundliche Hostessen wiesen den Weg zur Lustwiese, die später festlich illuminiert wurde und extra mit blauem, später pechschwarzem Himmel überspannt war. Die Straßenbahnen schlichen flüsterleise über die für Autos an diesem Abend gänzlich gesperrte Lennéstraße, und sogar der summende Hubschrauber über der Bunten Republik Neustadt zog alsbald ab. Bühne frei also für die Sächsische Staatskapelle unter Maestro Fabio Luisi, der das dramaturgisch nett komponierte Arienprogramm dirigierte und moderierte.
Gut, dass die Staatskapelle dabei nicht auf tausendmal abgegriffene Sommerleichtigkeiten setzte, sondern das Publikum von der ersten Ouvertüre bis zur einzigen Zugabe ordentlich herausforderte. Wer kennt denn beispielsweise Verdis Oper “I Vespri Siciliani” (Die Sizilianische Vesper) oder könnte die “Vision Fugitive”-Arie aus Jules Massenets 1881 verfasster Oper “Hérodiade” ansingen? Mit einer Ausnahme – der ursprünglich als Zwischenaktmusik komponierten “Méditation” aus Massenets im Orkus verschwundener Oper “Thaïs”, die Kai Vogler als Solist kraftvoll und ohne ein Gramm Schmalz zuviel abhandelte – bot das Programm ausschließlich selten zu hörende Werke. Auch die Sänger wagten da den ein oder anderen Blick in die Noten: Georg Zeppenfeld in der Verdi-Arie “O tu, Palermo” oder Chiara Taigi und Roberto Servile in ihrem anrührenden Vater-Tochter-Duett “Figlia a tal nome il palpito” aus Verdis “Simone Boccanegra”.
Wiewohl die beiden letztgenannten das nötige Genueser Flair durch heiße Umarmungen zu beschwören suchten – an der Außentemperatur sollten die Dresdner Autobauer bei der nächsten Ausgabe von “Klassik picknickt” noch etwas schrauben. Den Rotwein in der frostklammen Hand wärmen zu müssen: das stand einem ungetrübten Open-Air-Genuss dann doch als einziges Manko im Wege.
Eine Textfassung des Artikels ist am 22. Juni in den DNN erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.