Schöne Orte hat er sich ausgewählt, der spanische Tenor José Carreras, für seine drei Galakonzerte dieses Jahres im deutschen Osten, dessen Menschen er nach eigener Aussage zu großem Dank verpflichtet ist. Finde doch in Leipzig zum 15. Mal seine große Gala zugunsten der nach ihm benannten Leukämie-Stiftung statt. In Schwerin gab das angestrahlte Schloss einen imposanten Hintergrund. Nicht weniger Effekt beim Konzert in Erfurt auf den Domstufen unterhalb der majestätisch aufragenden Sakralbauten. In Dresden wurde eine Bühne vor die Hinterfront des Pillnitzer Bergpalais gebaut, davor der Wiese Plätze für 3000 Menschen, die bereit waren, zwischen 80 und 120 Euro für einen davon zu zahlen. Für einen VIP-Platz mit Sekt, Menü und After-Show-Party waren knapp 400 Euro fällig. Das Programmheft gibt’s zum stolzen Preis von 8 Euro, 16 von 27 Seiten Werbung.
So hoch gings an diesem Abend nicht hinaus – José Carreras (Foto: PR)
Die Dresdner Galabühne ziert ein Hintergrund mit hübsch springenden Noten und Vortragsbezeichnungen, die in eine falsche Richtung weisen. Statt der international üblichen fünf Linien für die Notenschrift gibt es gemessen an der Besonderheit des Anlasses hier sogar sechs. So hoch hinaus geht es aber im Gesang des José Carreras an diesem Abend gar nicht. Im Mai erst hatte sich der 62jährige endgültig von der Opernbühne verabschiedet. Jetzt gilt seine Liebe Canzonen und unterhaltenden Liedern seiner spanischen Heimat und Italiens, kleinen Ausflügen ins Reich der Operette und als Zugabe doch noch eine Erinnerung an den einstigen Glanz des smarten Opernstars mit dem Duett „Libiamo, ne lieti calici“ aus Verdis „La Traviata“.
Carreras‘ Partnerin ist die junge mexikanische Sängerin Rebeca Olvera. Sie lässt die klaren Koloraturen ihrer angenehmen Soubrettenstimme sehr erfreulich mit Arien von Gounod, Delibes, Johann Strauss oder Puccini durch die Abendkühle perlen. Mit dem Star in drei Duetten, Léhars „Lippen schweigen“ aus „Die Lustige Witwe“, aus einer Zarzuela von Manuel F. Caballero sowie in der erwähnten Zugabe von Verdi, erweist dieser sich als gänzlich vollendeter Kavalier und überlässt der jungen Dame den Vortritt im Hinblick auf die höher gelegenen Töne, zu denen sie ihren Sopran gerne hinaufführt.
José Carreras, diesmal nicht auf Benefiztour sondern als „Stimme des Südens“ auf Promotionstour für seine neue CD „Mediterranean Passions“, stellt einige Titel daraus vor und macht uns bekannt mit Liedern, die ihn sein ganzes Leben begleitet haben. Manche kennt man, hört sie gerne wieder, wie Salvatore Cordillos „Core n ´ grato“, „Passione“ von Salvatore Tagliaferri oder „Rosó – pel teu amor“ von Josep Ribas. Nach Abschied klingen die Songs irgendwie alle, sie sind in ihrer Grandstimmung getragen, weniger Temperament oder Tempo, eher Melancholie, gezügelte Emotionen, mild getönte Abendstimmung, gereiftes Zuckerwerk. Brillante Aufstiege in strahlende Höhen sind nicht vorgesehen, eher eine Angelegenheit der Mittellage für den Sänger und einen vorzüglichen Tonmeister, dessen Einfühlung der Stimme ein Vielfaches an Volumen geben kann. Der Klang des North Bohemian Philharmonic Orchestra aus Teplice unter der Leitung von David Giménez, dem Neffen von José Carreras, hat er so weit zurück genommen, dass zusammen mit der Verfremdung des Orchesterklanges durch die Verstärkung fast so etwas wie ein Playback-Eindruck entsteht.
Eine Textfassung des Artikels ist am 21. August in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.