Die ersten zehn Oktobertage waren in den letzten zwanzig Jahren bei Kennern und Liebhabern zeitgenössischer Musik dick im Kalender angestrichen: "DTZM", die "Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik". Gegründet und geleitet wurden sie vom Komponisten Udo Zimmermann. Mehr und mehr Aficinados pilgerten alljährlich zu der großen, im "Park der Sinne" versteckten Villa am Elbhang, jahrelang übertrat kaum ein Uneingeweihter jemals die Schwelle.
Unter dem neuen Intendanten Dieter Jaenicke hat das Festival dieses Jahr nicht nur einen neuen Namen bekommen. Die "TonLagen" geben sich nun offener, sie wollen Neugierige anziehen, die vielleicht regelmässig Truffaut, Mozart oder Zappa genießen und sich bisher vielleicht nur noch nicht getraut haben, ins zeitgenössisch ernste Fach hineinzuschnuppern. Ein innovatives Konzept hatte der Hellerau-Intendant Jaenicke den Besuchern versprochen, in dem die zeitgenössische Musik mit ihren Schwesterkünsten in Berührung kommt; Film, Bildende Kunst, Performance, Theater spielten die Nebenrollen.
Mit einem Ausflug ins antike Griechenland feierte man etwa den Tag der Einheit. Ein zünftiger "Rausch in acht Abteilungen" stand auf dem TonLagen-Programm und lockte Grenzgänger zwischen Ohr und Magen an. Vierzehn erlesene Weine, ein Sechs-Gänge-Menü, serviert von "Schmidt’s Restaurant", und zwischen Lammhackbällchen und Quittentarte feinste Häppchen aus vierzig Jahren zeitgenössischer westeuropäischer Musik, dargeboten vom Klangforum Wien – wer konnte dieser verführerischen Einladung widerstehen?
Aber auch die letzte große Veranstaltung des Festivals, die Performance "Stifters Dinge" des Regisseurs Heiner Goebbels, nahm teilweise rauschhafte Züge an. Wie da ein oranger Bühnen-Scheinwerfer durch wehende Leinwände hindurch sich quasi hitzeflirrend in auf die Bühne gegossenen Wasserlachen spiegelte, wie dazu fremdländische Klänge von einer hundert Jahre alten Wachswalze zugespielt wurden: das katapultierte das Publikum in einen südländischen Traum-Rausch. Schade – und vielleicht bezeichnend – dass die wahnwitzige Installation, die fast ohne menschliche Bühnenpräsenz auskommt, das erste Mal nach hundertundfünfzig Vorstellungen in aller Welt einmal nicht ausverkauft war.
Im nächsten Jahr wollen viele Dresdner Veranstalter mit dem Festival kooperieren – Jaenicke freuts (Foto: S. Füssel)
Dass eben nicht jedes Konzert ein voller Erfolg wurde – geschenkt. Jaenicke sieht das im Gespräch mit der SZ realistisch: "Wir wollen die TonLagen in Zukunft noch stärker dramaturgisch gestalten, die Reise noch deutlicher gestalten, auch mal Abwege bewusst gehen. Da wird auch wieder mal eine Sackgasse dabei sein, klar…" Für die nächsten Jahre hat sich der Intendant vorgenommen, noch stärker auf Partnerschaften mit den etablierten Musikveranstaltern der Region zu setzen. Es sei da sehr erfreulich, so Jaenicke, dass diverse potentielle Partner aus Drensden auf ihn zugekommen seien und sagten: "Im nächsten Jahr wollen wir aber mitmachen!" Wenn nun auch noch das manchmal eher gemütliche Dresdner Publikum den Weg nach Hellerau fände – schön wäre es, und würde den mutigen Ansatz der neuen Mannschaft auf dem grünen Hügel belohnen.
Eine Textfassung des Artikels ist am 19. Oktober in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.