Scroll Top

Jazz-Legende Al Di Meola zwischen Hörsaal und Laboren


Der Ruf eines Weltstars eilt ihm voraus. Ein einzigartiger Gitarrenstil, mehr als 20 eingespielte CD’s, sechs Millionen verkaufte Alben, drei davon in Gold: der gebürtige Italiener und in New Jersey aufgewachsene Al Di Meola gilt als herausragendster Virtuose des zeitgenössischen Jazz. Mit dem Programm „New World Sinfonia“ beehrte er im Rahmen der Jazztage Dresden 2009 die sächsische Landeshauptstadt – zum ersten Mal seit anderthalb Jahrzehnten.

 

Ursprünglich für den Live-Club Tante Ju gebucht, entschieden sich die Veranstalter, das Konzert aufgrund des rasant ausverkauften Kartenkontingents in das Medizinisch-Theoretische Zentrum am benachbarten Uniklinikum zu verlegen und damit doppelt so viele Fans zu beglücken wie vorgesehen. „It’s really nice to be here“, begrüßte Al Di Meola die 800 im Foyer und auf den Rängen stehenden Gäste. Diese Location sei „like a prison“, scherzte er, gerade eingeflogen vom Vorabendauftritt in Paris. Ein kleine Spitze, die ins Bewusstsein rief, dass es der Stadt an optimalen Saalalternativen für Auftritte dieser Dimension mangelt. Der Blick auf die Bühne war für einen Großteil der Besucher erheblich eingeschränkt, die Akustik dafür erstaunlich gut. Die meisten Fans nahmen es gelassen.

Mit Gumbi Ortiz (Percussion), Peo Alfonsi (Klassische Gitarre), Fausto Beccalossi (Akkordeon), Peter Kaszas (Schlagzeug) und Victor Miranda (Bass) hat Gitarrist Al Di Meola eine internationale Band zusammengestellt, die der 55jährige als beste Gruppe seiner gesamten Karriere bezeichnet. Ob man diese intensiv verfolgt hat und jedes Stück kennt oder nur neugierig auf eine lebende Jazz-Legende war – man muss kein Insider sein, um zu spüren, dass das Sextett menschlich wie musikalisch auf Augenhöhe harmoniert.

 

Foto: Andreas Weihs

Die Stücke größtenteils von der mit in gleicher Besetzung eingespielten CD „World Sinfonia“, einige aus „Live in Milano“. Al Di Meola sagt nicht jedes Lied an, er wandert zwischen Musette, Latin und Tango. Berühmt für sein schnelles und individuelles Gitarrenspiel, ist er auf der Bühne Teil (s)einer Band. Wenn er spricht, packt er seine Informationen in maximal drei, vier Sätze, oft augenzwinkernd, manchmal leicht ironisch. „Anyway“, das sagt er oft. Über sich erzählt er wenig, über seine Musiker mehr. Völlig weltstaruntypisch und sehr sympathisch: es geht hier um Musik. Um seine Musik, die für sich wirkt. Ob man seinem erstaunlichen Fingerflug über die Saiten optisch folgen kann oder nicht – die Kompositionen und Arrangements geben viel Raum für Emotionen. Kein effekthaschendes Licht lenkt ab. Das Foyer bleibt abgedunkelt, die Bühne wird in gelbes, rotes oder grünes Licht getaucht. Ab und zu huscht ein Spot von einer Soloeinlage zur nächsten.

Akkordeon und Gitarren bilden eine einzigartige Symbiose. In einem eigens für Percussionist Gumbi Ortiz komponierten Stück darf dieser den Rhythmus vorgeben, der an diesem Abend hauptsächlich vom Tango bestimmt ist. Leise und laut, melancholisch und fröhlich, ruhig und lebhaft, ernst und spaßig. Nur unterbrochen von einer halbstündigen Pause nähert sich der Abend mit „Race with Devil“, einem wahren Hummelflug, dem grandiosen Finale. Zwischendurch treibt Al Di Meola Späße mit dem kubanischen Bassisten Victor Miranda, stoppt beispielsweise einen Liedanfang, um ihm ein Riff zu zeigen. Nach elf Stücken das scheinbar abrupte Konzertende. Schon Schluss? Noch nicht ganz. Als Zugabe erklingt „Mediterrean sundance“ vom 1981 veröffentlichten Album „Friday Night In San Francisco“. Über zwei Millionen Mal verkauft, ist es das bekannteste Live-Akustikgitarren-Album überhaupt. Wer bisher noch kein Fan war, ist es spätestens jetzt.

Friday Night In Dresden. Knapp zwei Stunden einem genialen Musiker ganz nah. Ob Al Di Meola wiederkommt? Vielleicht wenn es hier einen Konzertsaal gibt, in dem ihn jeder nicht nur hören, sondern auch sehen kann. Denn „New World Sinfonia“ ist in jedem Fall auch visuell ein Muss. Für alle.