Gamal Gouda ist neu im Ensemble des Dresden Semperoper Ballett. Er ist der Neue im Quartett der Ballettmeister. Neu in Dresden ist der ehemals weltbekannte Solotänzer ganz und gar nicht, der jetzt vom Bayerischen Staatsballett hier her gekommen ist. Er kehrt zurück in eine Stadt, an ein Theater, mit dem sich etliche Erinnerungen im Verlauf der außergewöhnlichen Karriere des jetzt 51jährigen verbinden.
Foto: Matthias Creutziger
Als John Neumeier sein 1982 in Hamburg uraufgeführtes Ballett „Tristan“ mit der Musik von Hans Werner Henze fast genau zehn Jahre später mit dem Ballett der Sächsischen Staatsoper in der Semperoper einstudierte, übernahm im Januar, im März und im Dezember des Jahres 1983 der Hamburger Tristan, Gamal Gouda, hier die Titelpartie. In einigen Vorstellungen gastierte auch seine Partnerin Chantal Lefevre in Dresden als Isolde.
„Tristan“ war für den spätestens nach seiner sensationellen Leistung als „Othello“ in Neumeiers Kreation von 1985 als international gefeierter Tänzer nicht seine einzige Begegnung mit Dresden. Schon der junge Anfänger gehörte zu Neumeiers Hamburger Ensemble, das im Mai 1981 im Großen Haus die später auch hier einstudierte Inszenierung „Ein Sommernachtstraum“, sowie an zwei Abenden die Choreografie der dritten Sinfonie von Gustav Mahler im Rahmen der Musikfestspiele vorstellte. Er war auch dabei, als das Hamburger Ballett 1995 in der Semperoper mit „Requiem“, Mozart und Gregorianische Gesänge, und Mahlers neunter Sinfonie gastierte, er tanzte beim gleichen Gastspiel die Partie des Des Grieux in „Die Kameliendame“.
Und in der damaligen DDR war der aus Ägypten stammende Gamal Gouda wesentlich früher. 1969 schon, als er noch an der Cairo Academy of Arts klassischen Tanz nach der Waganowa-Methode bei Meistern aus der Sowjetunion studierte, besuchte er mit Jungen Pionieren, deren Gast er in einem Zeltlager war, Berlin, Leipzig und Potsdam. Später verließ er seine Heimat, er entging der Armee um den hohen Preis, dass die Grenzen seines Landes, wo er erste Bühnenerfahrungen zunächst im Corps de ballet, dann als Solist gemacht hatte, für ihn verschlossen waren. Besonders mit der Partie des Basile in „Don Quixote“ machte der junge Tänzer auf sich aufmerksam.
Er kommt nach Deutschland, tanzt zunächst in Nürnberg und in München. In Hannover begegnet er Gundel Eplinius. Vor zwei Jahren ist die große Alte Dame des Tanzes mit 85 Jahren verstorben. Sie war Professorin für Modernen Tanz in Hannover, hatte u.a. in Dresden bei Mary Wigman studiert und war deren Assistentin, gehörte für einige Jahre, bis 1945, zum Dresdner Ballettensemble. Gundel Eplinius vermittelt die Bekanntschaft mit John Neumeier. Gamal Gouda entdeckt bei ihm seine Chancen, entdeckt die Moderne des Tanzes auf der Grundlage der klassischen Fundamente. Er taucht tief ein in die Prozesse der Hamburger Ballettschöpfungen, vervollkommnet die Fähigkeit alles durch den Körper auszudrücken, die Musik und die Emotion zur Bewegung werden zu lassen. In diesem tollen Ensemble, so heute in der Rückschau, da ging es gar nicht anders, man musste einfach 200 % Tänzer sein.
Und jetzt ist er dabei, wieder in einem wunderbaren Ensemble, mit den jüngeren Kolleginnen und Kollegen daran zu arbeiten, immer wieder diese magische 200 % Marke zu erreichen. Als Ballettmeister ist er verantwortlich für das tägliche Training, und da ist es unerlässlich die Individualität eines jeden Tänzers, einer jeden Tänzerin im Auge zu haben. Techniken lassen sich beherrschen, wesentlich aber ist für diese Kunst, dass Tänzer über die Individualität zur Authentizität in der jeweiligen Choreografie, in ihren Partien und Passagen gelangen. Der Ballettmeister leitet die Proben, er muss die Choreografien bestens kennen. Wenn der Choreograf abreist übernimmt er die Verantwortung, er studiert neue Besetzungen ein und bringt die tänzerischen Charaktere in Einklang mit dem Anliegen der Werke und ihrer Schöpfer. Es gilt für die Übereinstimmungen mit den Originalchoreografien zu sorgen und dennoch die Originalität möglicher neuer Tänzer zu achten.
Gamal Gouda kann jetzt die Summe seiner reichen Erfahrungen einbringen, seine Arbeit kann verhindern, dass Kopien entstehen und befördern, dass dem Zuschauer an jedem Abend einer Ballettaufführung Originale geboten werden. Die Qualitäten des Ensembles hier lernte er kennen und schätzen, als er die Einstudierung von Solistenpartien für die überaus erfolgreiche Dresdner Erstaufführung des Ballettklassikers „La Baydère“ übernahm.
Danach arbeitete er im Team der Ballettmeister an den Vorbereitungen der Wiederaufnahme von John Crancos Choreografie „Der Widerspenstigen Zähmung“. Und derzeit geht es mit aller Kraft auf die nächste Premiere zu, das Glanzstück romantischer Ballettliteratur, „Schwanensee“ kommt ab 21. November auf die Bühne der Semperoper.
Eine Textfassung des Artikels ist am 13.11. in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.