Gerade noch rechtzeitig, bevor das Händeljahr aus Anlass des 250. Todestages des großen Europäers aus Halle an der Saale zu Ende geht, kam am Sonntag dessen Oper »Giulio Cesare in Egitto« auf die Bühne der Semperoper. Ein Werk um Mord, Intrige, Leidenschaft und Liebe, an dessen Ende ein Schurke im Duell fällt und mit Cesares Hilfe die sagenhafte Cleopatra als Königin Ägyptens auf dem ihr zustehenden Thron gefeiert wird… Die Premiere war auch das Dresdner Operndebüt des international gefragten Countertenors Max Emanuel Cencic. Als Konzertsänger hatte er in der Frauenkirche schon sein Dresdendebüt gegeben. Nun sammelte er die Bravi auch im Semperopernrund.
Der Kalender des Sängers ist ausgefüllt. Seine Diskographie mit 33 Jahren erstaunlich, seine Mitwirkungen bei den renommierten Festivals der barocken Musik sind unverzichtbar geworden. Er bekam etliche Preise und Auszeichnungen, zuletzt kürte ihn die französische Académie du Disque zum besten Opernsänger.
Dass der Gesang in Verbindung mit dem Spiel, das Ausdeuten einer Rolle, gemeinsame Aktionen mit den anderen Protagonisten, diesem jungen Künstler großen Spaß macht, kann man sich gut vorstellen, wenn er wenige Tage vor der Premiere engagiert über seine Rolle in der Dresdner Inszenierung spricht. In drei verschiedenen Produktionen dieses Werkes hat er schon mitgewirkt. Zunächst als Sesto; den Tolomeo, mit dem er sein Dresdner Operndebüt gibt, sang er bereits in Genua.
Die Partie ist eine Herausforderung. Einen Bösewicht gilt es darzustellen, dem extremen Charakter Gestaltung und Klang zu geben, das reicht bis ins Komische, sollte aber alles Stereotype um der Glaubhaftigkeit willen vermeiden. Gemäß barocker Opernkunst gilt es die Facetten einer Figur in der Kunst des entsprechenden Gestus ihrer augenblicklichen Emotion kraft des Gesanges zu gestalten. Rache- und Liebesarie: das gefühlvolle Lamento oder ein fulminantes Furioso sind zu interpretieren.
Mit großer Freude berichtet Max Emanuel Cencic von der Arbeit in Dresden. Der Regisseur Jens Daniel Herzog, der auch zum ersten Mal hier arbeitet, überzeuge mit klarem Konzept und verstehe es ein rundum motivierendes Arbeitsklima zu schaffen. Mit Alessandro de Marchi steht ein anerkannter Spezialist für barocke Musik am Pult der Staatskapelle, und es sei ja auch nicht zu verachten, wenn ein so großer Opernbetrieb in zuverlässiger Organisation laufe.
Verfügt "mit seinen 33 Jahren über langjährige Erfahrungen": Max Emanuel Cencic (Fotos: M. Creutziger)
Als Sänger verfügt Max Emanuel Cencic mit seinen 33 Jahren über langjährige Erfahrungen. Für den in Kroatien geborenen Österreicher begann die Karriere im Alter von sechs Jahren. Ausgebildet von der Mutter, einer Opernsängerin, machte der Knabe im Einschulungsalter als Sänger von Mozarts Königin der Nacht Furore. Bald wird man auf den außergewöhnlichen Knabensopran bei den Wiener Sängerknaben aufmerksam, ein Dirigent wie Georg Solti ist zutiefst berührt. Mit 17 Jahren sind an die 700 Auftritte und Konzerte zu verzeichnen. Im Rückblick lassen sich die Phasen des Stresses und der Erfüllung nicht trennen; es sei so gekommen, die Kunst habe sich in seinem Leben Raum verschafft und durchgesetzt, sagt der Sänger heute.
Der junge Mann hatte nicht das Glück etlicher Kollegen, die als Sopranist einschliefen und als Tenor aufwachten. Die so seltene Gabe der hohen männlichen Gesangskunst blieb Max Emanuel Cencic unwahrscheinlich lange erhalten. Er musste sie sogar nutzen, denn ohne Konzerte hätte er die gewünschte Schulbildung, das Abitur in London, nicht finanzieren können. Und dann stand auch nicht gleich fest, dass der Sängerberuf erstrebenswert sei. Unheimlich erscheint dem jungen Mann diese ungesicherte Situation, Unsicherheit bringt auch die Erfahrung, dass die Tenorstimme nicht endlich durchbricht. Dafür aber kommen die Angebote aus der Barockszene: ein junger Sopranist! Die Koryphäen laden ein.
Dann, mit 20 Jahren, wird eine Pause eingelegt. Für Max Emanuel Cencic eine Phase der Besinnung; Zeit für die Fragen nach der eigenen Bestimmung, nach dem Schicksal. Das ist die Musik, so steht es dann doch vor etwas mehr als zehn Jahren fest. Es ist der Gesang, das ist meine Obsession sagt der Sänger, dessen Stimme tiefer und grundierter geworden ist, ohne an Höhe zu verlieren. Ideal für das Fach eines Countertenors, der sich wie Cencic in besonderem Maße engagiert: die für Männerstimmen geschriebenen Partien, die später von Frauen übernommen wurden, zurückzuerobern. Denn bis in die Zeit des Belcantos, bei Rossini etwa, gab es das Ideal der männlichen Kastratenstimme, deren Vertreter ja nicht auf einmal in Gänze verschwunden waren.
Jetzt komme es ihm darauf an zu beweisen, dass nicht das Geschlecht zähle, sondern die Kunst des Klanges, der Gesang, mit dem es möglich ist alle Grenzen sogenannter natürlicher Gegebenheiten zu überschreiten. Und in der Tat: wer etwa auf der neuesten CD seine Rossiniarien hört, und nicht weiß dass hier ein Mann singt, der könnte schon entzückt sein von der verführerischen Kunst und dem verschwenderischen Reichtum an Farben und Gesangsnuancen dieser Frauenstimme, die Männerrollen singt. Das aber ist das Besondere an der Gesangskunst von Max Emanuel Cencic: ein Mann singt einen Mann, aber was das Spektrum der Klänge angeht, so gilt es eben immer wieder weit mehr zu vernehmen als uns vermeintlich traditionelle Festschreibungen wahr machen wollen. Und letztlich ist ja die Kunst das Feld, die des Gesanges zumal, auf dem wir erfahren, dass es mehr Dinge gibt zwischen Himmel und Erde, als wir glauben.
Vom Barockgesang Händels in Dresden geht es für den Sänger direkt in die Kunst der Gegenwart. In Wien gehört er zum Ensemble der Uraufführung der Oper „Medea“ von Aribert Reimann, im Februar 2010, an der Staatsoper. Eine neue CD mit Arien von Händel, die wir zumeist von Mezzosopranen gesungen kennen, folgt mit Tournee durch Frankreich; und in Madrid steht eine Neuinszenierung von Monteverdis „L´incronazione di Poppea“ an.
Eine Textfassung des Artikels ist am 12.12. in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.
CD Tipp: