Anke Vondung als Giulio Cesare in Egitto weiß wo der Feind steht, Foto: Matthias Creutziger
Es wird geballert und gebombt, gemeuchelt, intrigiert, verführt, getrunken und geliebt. Man ist im Krieg und das muss ganz und gar nicht immer nur traurig sein. Was das Kino kann, das kann die Oper auch. Trotz einiger Anleihen werden die Künste aber nicht verwechselt. Endlich, möchte man erleichtert sagen, nach diesem barocken Opernabend, bei dem die Ohren zunächst bestens und im Verlauf des Abends auch die Augen immer mehr auf ihre Kosten kommen, denn es weht ein unwahrscheinlich frischer Geist aus Freiheit, Lust und Können durch die inzwischen auch schon ganz schön ehrwürdige dritte Semperoper. Immerhin gibt es hier zum ersten Mal überhaupt Georg Friedrich Händels Oper „Giuilio Cesare in Egitto“, in Dresden der Barockstadt, die aber die Oper dieser Zeit recht stiefmütterlich behandelt.
Unerschrocken, Anke Vondung als Giulio Cesare, Foto: Matthias Creutziger
Aber jetzt ist er ja angekommen, der ruhmreiche Feldherr, im exotischen Ägypten, wohin sich sein Erzrivale Pompeo geflüchtet hat. Der wird in einer wilden Jagd zur Ouvertüre schon verfolgt von Cesares Truppen im Kolonialistendress der frühen Zwanziger des letzten Jahrhunderts und zugleich von langgewandeten Gotteskriegern und schwarz verhüllten Jungfrauen. Dieweil die westlichen Truppen es vorziehen sauber zu töten, also bomben aus sicherer Entfernung, machen die Einheimischen kurzen Prozess, Kopf ab, in die Schatulle und dem Befreier aus Rom überreicht. Dahinter steckt ein gewiefter ägyptischer Tausendsassa namens Tolomeo, der mit Cesares Hilfe verhindern will, dass seine Schwester Cleopatra den von ihm okkupierten Thron besteigt. Sie will hingegen mit des Römers Hilfe auch auf den Thron und den Bruder aus dem Weg haben. Ganz klar, wie das bei der sagenhaften Schönheit jener antiken Damen ausgehen muss. Natürlich auf Umwegen, so amüsant wie intrigant, mit etlichen Leichen am Wegesrand, endet es sogar für beide im Blumenbestreuten öffentlichen Ehebett. Zuvor hat die schöne Ägypterin noch demonstriert, dass sie Kraft ihres Gesanges alle Toten wieder aufleben lässt, wer sollte sie sonst auch hoch leben lassen. Das ganze spielt im, vor oder um den Königspalast herum, den Mathis Neidhardt in verflossener Pracht mit bröckelndem Putz und bezaubernden Regenwasserspuren auf die Bühne gestellt hat und damit ein wunderbar augenzwinkerndes Ägyptenklischee mit Grüßen nach Hollywood bietet. Das setzt sich fort in den Kostümen, hier wie da, und manchmal könnte man auch denken, dass der Nil gerade am Hindukusch fließt.
Giulio Cesare räumt bei Kleopatra das Bad auf, Foto: Matthias Creutziger
Was uns so unterhaltend wie mit leichter Hand von Regisseur Jens-Daniel Herzog inszeniert und von Ramses Sigl mit einer ausgezeichneten Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern, Komparsen, und Mitgliedern des Chores choreografiert erscheint, ist aber ganz und gar nicht leichtfertig zu sehen oder gar unbedacht gemeint. Da hat ein hellwaches Team der Regie mit einem ebenso wachen Ensemble schon ganz genau im Blick was uns bewegt im Streit der Kulturen, Religionen oder um globale Ansprüche auf die Beherrschbarkeit des Erdkreises. Wir erleben ein barockes Welttheater, das ganz turbulent beginnt, ohne Scheu vor Klischees und Klamauk. Aber immer dann, wenn allein dem Klang der Raum gebührt, kommt es zur Ruhe. Im Mittelteil des Opernabends, der wie im Flug vergeht, das Kammerspiel mit berührenden Episoden aus Trauer, Leid und Verzweiflung, Widerstand zum Einen, dann wie im Satyrspiel die Slapstiks, Gags und Turbulenzen eines Supermannes namens Cesare, der beispielsweise sieben ägyptische Terroristen im Handstreich erledigt. Daneben die berührende Entwicklung des jungen Sesto Pompeo, der im schweren Schatten seiner trauerenden Mutter Cornelia wie Hamlet von seines toten Vaters Geist gelenkt und beschützt ein Rächer werden soll. Zu schießen lernt er, das Töten bleibt ihm hier erspart. Eine von etlichen Feinheiten dieser so facettenreichen Aufführung, die so turbulent endet, wie sie begann.
Max Emanuel Cencic als Tolomeo setzt alles auf eine Karte, Foto: Matthias Creutziger
Offensichtlich hat das glücklich zusammengefügte Ensemble der Sängerinnen und Sänger in allen Partien an solchem Spiel seine Freude und dazu unter der erfahrenen musikalischen Leitung von Alessandro De Marchi beste Gelegenheiten höchst beglückende Gesangsleistungen zu bieten. Anke Vondung gibt die Partie des Cesare mit Bravour und erobernder Kraft, Laura Aikin erhält für ihre Gestaltung der virtuosen Cleopatra-Partie viel Applaus. Der Gesang des Bass-Baritons Steffen Rössler als Curio bleibt trotz kleiner Partie in bester Erinnerung, was auch für Christoph Pohl gilt, der mit warm timbriertem edel klingendem Bariton als Achilla überzeugt. Christa Meyer ist eine Witwe Cornelia der sensiblen Gesangsfacetten, da sind wunderbaren Töne der Klage ebenso wie die des Aufbegehrens und des Widerstands. Ganz exzellent in der Jünglingsrolle des Sesto Janja Vuletic bei leichtem Ansatz mit hellem festem Ton und temperamentvoller Attacke in der Koloratur. Als Nireno verfügt Christopher Field über aufregende Töne als Countertenor und Max Emanuel Cencic, im Spiel ein sympathischer Loser, im Gesang als Countertenor so farbreich wie gewandt in der Schattierung, zart im piano und kraftvoll im wutschnaubenden Ausbruch.
Dazu der Klang der Staatskapelle, erweitert um etliche historische Instrumente, aber – und das ist so verblüffend – die Streicher und vor allem die Hörner, zwar korrespondierend mit Spieltechniken historischer Aufführungspraktiken, verleugnen dennoch ihren „Originalklang“ nicht. Und das, so möchte man mit der Erinnerung im Ohr sagen, ist gut so.
Eine Textfassung des Artikels ist am 14. Dezember in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.