Heiligabend im Kreise der Lieben verbringen, dieser Wunsch ging für 29 Sänger des Dresdner Kammerchores in diesem Jahr nicht in Erfüllung. Stattdessen erklärten sie sich bereit, bei einer besonderen Gastspielreise mitzuwirken. Dass man das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach an den hohen Feiertagen selbst mitgestalten darf, ist schon Geschenk genug. Eine besondere Qualität erhielten die Aufführungen des Dresdner Kammerchores aber durch den Ort des Geschehens in der Geburtskirche zu Bethlehem (am 24.12.) und in der Erlöserkirche Jerusalem (am 25.12.). Authentischer wäre nur noch eine Aufführung auf freiem Feld gewesen, aber an dieser vermuteten Stelle steht nun eben die Geburtskirche.
Aufführung des Weihnachtsoratoriums an historischer Stätte in Israel (Foto: AP)
Namhafte Solisten, das Orchester "La Scintilla", der Dresdner Kammerchor und der charismatische italienische Dirigent Riccardo Chailly, der das musikalische Ereignis "unwiederholbar, aber auch unwiderstehlich" nannte, kamen musikalisch zunächst in der Tonhalle in Zürich zusammen, wo am 21.12. ein ausverkauftes Konzert quasi als Generalprobe für Israel diente. In Tel Aviv musizierte man alsdann in der Israeli Opera alle sechs Kantaten des Weihnachtsoratoriums, bevor es zu den historischen Stätten in Bethlehem und Jerusalem ging. Der Palästinenserpräsident Mahmut Abbas wohnte der Aufführung am 24.12. in Bethlehem bei. Das Österreichische und das Schweizer Fernsehen übertrugen live, darüberhinaus gingen die Bilder vom Weihnachtsoratorium in Bethlehem und Jerusalem auch nach Finnland und Japan. Mit den Aufführungen setzte der Veranstalter, das Opernhaus Zürich, ein Zeichen zur Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten.
Riccardo Chailly interpretiert Bach (Foto: AP)
Für den Dresdner Kammerchor war dies auf keinen Fall eine normale Konzertreise, ein Chorist bezeichnete die Erlebnisse eher als "inneren Gottesdienst": jeder mit dem Bach-Werk vertraute Sänger wird den geistlichen Inhalt, der kommuniziert wird, in besonderer Weise in Israel selbst neu verstehen. Bachs Musik gerät so zu einer globalen Sprache, die auch die Zuhörer – gleich welcher Religion und welcher Überzeugung – bei den Konzerten erreichte. Die Reise an Weihnachten indes geriet so zu einer spirituellen Fahrt, bei der auch das Miteinander nicht zu kurz kam: wie in einer "Familie" wurde gemeinsam in Bethlehem und Jerusalem Weihnachten gefeiert.
"Fallt mit Danken, fallt mit Loben" – Corno da caccia in der IV. Kantate (Foto: AP)
Die Weihnachtspause daheim fällt für die Sänger des Dresdner Kammerchores recht kurz aus, denn schon winken weitere Aufführungen des Weihnachtsoratoriums: am 7. und 8. Januar gastiert der Chor im Gewandhaus Leipzig (die Konzerte sind bereits ausverkauft); diese Aufführungen werden für DECCA auf CD aufgenommen. In Dresden ist der Kammerchor bereits am 6. Februar wieder mit alter Musik a cappella zu erleben, dann erklingen die italienischen Madrigale von Heinrich Schütz unter Leitung von Hans-Christoph Rademann in der Loschwitzer Kirche. Nähere Informationen unter http://www.dresdner-kammerchor.de