Zumindest äußerlich entspannt trat Christian Thielemann am Mittwoch vor die zahlreich erschienenen Pressevertreter. Die rechtlichen Stolperfallen im nunmehr zum "Fall" gewordenen Streit mit Luisi darzulegen, überließ er Staatsministerin von Schorlemer. Wollte man etwas über mögliche Kooperationen mit Regisseuren oder eventuelle Einsprünge für die von Luisi nun offenbar endgültig abgegebenen Projekte wissen, wurde man galant zur Intendantin in spe verwiesen, die zwar nicht mit auf dem Podium Platz genommen hatte, dann aber doch für einzelne Fragen zur Verfügung stand.
"Was nützt es, zuhause weltberühmt zu sein?" Mit Thielemann will die Kapelle weltweit präsenter sein. Der Dirigent hat zugesagt, jährlich 18 Tourneekonzerte mit dem Orchester zu absolvieren und auch schon eine Kooperation mit dem Israel Philharmonic Orchestra festgeklopft (Fotos: M. Creutziger)
Und Thielemann selbst? Der erging sich fröhlich in Andeutungen über seinen Wechsel nach Dresden ("Manchmal kommt ja unverhofft oft"), über den Hergang, der letztendlich dazu führte, dass das ZDF-Silvesterkonzert von nun an aus Dresden übertragen wird ("Das ZDF war schon lange mit mir im Gespräch – mit meinen Aussichten, nach Dresden zu wechseln, ergab es sich dann einfach"), über die Akustik der Semperoper ("Ein separater Konzertsaal wäre nicht schlecht – aber da muss man subtil vorgehen"), über Gastdirigenten ("Das Orchester soll einfach deutlich sagen, wen sie haben wollen"), über neue Medien ("Eine digitale Konzerthalle? Eine ganz irre Sache, das wäre toll").
Wer dagegen schon ausgereifte Pläne zum in Dresden dirigierten Repertoire erwartet hatte, wurde vorerst vertröstet; auch sind wohl – zumindest offiziell, und wohl um Luisis Anwälten keine Steilvorlage zu geben – weitere Dresdner Termine, die vor der Inthronisierung des Dirigenten liegen, noch nicht bekannt. Nach wie vor sucht das Haus nach adäquaten Ersatzdirigenten für den Jubiläums-"Ring" und für die anstehende "Notre Dame"-Premiere.
Die dirigentischen Vorbilder Karajan und Busch im Blick: Christian Thielemann schätzt die Tradition
Ein paar Giftpfeilchen Richtung Vorgänger zu verschießen, konnte sich Thielemann dann aber doch nicht verkneifen. Nein, eine zweite Chefposition würde er neben diesem Orchester niemals annehmen. "Die Identifikation mit dem Ort – das ist es doch, was einen guten Chef ausmacht". Touché, hier hat Luisi offenbar tatsächlich Sympathiepunkte bei den Kapellmusikern eingebüßt. Und was passiert, wenn sich Thielemann mit der "anspruchsvollen Braut" Staatskapelle eines Tages eben nicht mehr so wortlos-blendend verstehen sollte wie bisher? Entsprechende Nachfragen werden gutmütig abgebürstet – "wenn man das Folterinstrument herausholt, mit Verträgen winkt, ist es doch eigentlich schon viel zu spät".
Insgesamt ein sympathischer Auftritt, der echte Neugier und Empathie für die neue Heimat erkennen ließ. Wenn Thielemann zu seinem Wort steht, Dresden zu seinem Lebensmittelpunkt und die Kapelle zu seinem ein-und-alles-Orchester macht und andere verlockende Angebote lächelnd abtut, um auch künftig einen freien Tag in der Woche zu haben – dann, ja dann könnte es diesmal etwas werden. Nicht, dass die Ehe mit dem selbstbewussten, manchmal vielleicht ein bisschen zu selbstherrlichen Orchester nach zwei, drei Jahren schon wieder in Trümmern liegt…