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Das dreifache Glück des Dresdner Sängers Olaf Bär

Es war einem Ur-Dresdner Sänger, dem jungen Bariton Olaf Bär, am 13. Februar 1985 kurz nach 19 Uhr vergönnt, die ersten menschlichen Töne in den neu erstandenen Klangraum der dritten Semperoper zu schicken. Nach der Ouvertüre, auf dem Platz vor der Waldschenke, fällt in Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ ein Schuss. Der trifft die Sternscheibe, und der Schütze, Kilian der Bauer, jauchzt laut Textbuch auf. In diesen denkwürdigen Minuten vor 25 Jahren jauchzte Olaf Bär in der Semperoper, und wenige Minuten später begann er als erster der Solisten zu singen: „Schau der Herr mich an als König!“. Das, so könnte man gut sagen, war der erste Teil des dreifachen Glückes an den vier Tagen der Eröffnungspremieren für Olaf Bär.
 
Als er 1957 in einer Dresdner Arbeiterfamilie geboren wurde, war der Krieg seit zwölf Jahren vorbei. Die Spuren der Zerstörung waren allgegenwärtig, die Trümmer, die leeren Flächen, die Schwärze der verrußten Steine. Die Gegenwärtigkeit der Zerstörung betraf aber auch die Familien, die Bekannten, deren Verluste, deren Erinnerungen. 

Und immer wieder wurde auch die Zeit vor der Zerstörung erinnert, geradezu beschworen. Dazu gehörte auch der Glanz des Opernhauses. Der Vater war nicht besonders musikalisch, aber von seinen Opernbesuchen schwärmte er. Der frühen künstlerischen Entwicklung des Sohnes stellte die Familie nichts in den Weg. Im Gegenteil, man erwarb sogar trotz erheblicher finanzieller Belastung ein Klavier.
 
Der Neunjährige wird Kruzianer. Heute, bei den Erinnerungen an den 13. Februar vor 25 Jahren, gehen die Gedanken weiter zurück. Die Eindrücke der Aufführungen des Requiems von Rudolf Mauersberger unter seiner Leitung an jenen Abenden in der Kreuzkirche, Trauergottesdienste, keine Gedenkveranstaltungen, gingen dem Heranwachsenden durch Mark und Bein. Die Menge der schweigenden Menschen in der überfüllten Kreuzkirche: das vergisst man nicht.
 
Als der junge Olaf Bär den Kreuzchor verließ, wollte er singen, nichts als singen. Mit einem Studienplatz an der Musikhochschule in Dresden klappte es auf Anhieb. Der Lehrer Christian Elßner war ein Glücksfall, lehrte er doch den jungen lyrischen Bariton nicht zuletzt jene Behutsamkeit, die dann ja auch zum Liedgesang führte. Das Jahr 1983 brachte den internationalen Durchbruch, den ersten Preis beim renommierten Walter-Gruner-Wettbewerb in London, inklusive Liederabend in der Wigmore Hall mit keinem Geringeren als Geoffrey Parsons am Flügel, was eine jahrelange Zusammenarbeit nach sich zog und etliche Einspielungen für die EMI, die Bär sofort unter Vertrag nahm.
 
Im Dresdner Opernstudio kam das Spiel zum Gesang, die Bühnenpraxis und die strenge Werkstattarbeit mit einem so erfahrenen Sänger wie Hajo Müller. Hier, und nicht zuletzt durch die Arbeit mit Ruth Berghaus an der Uraufführung „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“, zur Eröffnung der neuen Semperoper von Siegfried Matthus konzipiert und komponiert, wurden die Grundlagen für die Herausforderungen eines so spannenden wie außergewöhnlichen Musiktheaters gelegt. Olaf Bär ist froh, dass er sich den unterschiedlichen Anforderungen und Auffassungen bedeutender Regisseure wie Sven Eric-Bechtolf, Jürgen Flimm oder Hans Neuenfels immer wieder gestellt hat.

Aber die Mitwirkung an der ersten Uraufführung im neuen Haus, am 16. Februar 1985, mit der Partie des Marquis, ist schon der dritte Teil der Glückerfahrungen für den Sänger im Zusammenhang mit den festlichen Eröffnungsproduktionen. Zum Uraufführungsensemble des Balletts „Brennender Friede“ von Udo Zimmermann, einen Tag zuvor am 15. Februar, gehörte die Tänzerin Carola Tautz, und mit ihr lernte Olaf Bär in jenen ohnehin auf- und anregenden Tagen seine Frau kennen. Zwischen zwei beruflichen Glückserfahrungen eine höchst persönliche mit Langzeitwirkung.

In der Rückschau auf die Ereignisse und Erfahrungen vor 25 Jahren bleibt die Gewissheit, dass hier ein künstlerisches und menschliches Fundament gelegt wurde, das auch trug, wenn es galt, im Verlauf einer ungewöhnlichen Karriere mit Enttäuschungen umzugehen, Problemen künstlerischer, persönlicher oder technischer Art nicht auszuweichen.

Jetzt ist Olaf Bär wieder da, wo eigentlich alles begann, wo er es wagte ganz geradlinig ein Sänger zu werden, zunächst zum Liedinterpreten wurde, der dem so faszinierend wissenden Ton seines künstlerischen Vorbilds Peter Schreier die jugendlich-lyrische Note der Schmiegsamkeit eines romantischen Baritons hinzufügte. Als Professor und Leiter der Liedklasse gibt er seine Erfahrungen an der Dresdner Musikhochschule jenen Studierenden weiter, die so wie er damals singen wollen, nichts als singen.

(Foto: M. Creutziger)

Aus Anlass des 25jährigen Bestehens der neuen Semperoper öffnen sich am 15. Februar um 14 Uhr allen Interessenten die Türen zu den Foyers der Semperoper. Der Eintritt ist frei. Neben geführten und individuellen Besichtigungen des Hauses erwarten die Besucher Gespräche mit dem Intendanten Prof. Gerd Uecker, dem Technischen Direktor Jan Seeger, der Chefsouffleuse Gabriele Auenmüller u.a. Verschiedene Abteilungen und Sparten wie Maske, Theatermalerei und Kostümwesen und das Ballett präsentieren ihre Talente. Künstlerische Darbietungen wie a cappella-Gesang, Tanzbeiträge und eine Lesung mit Aini Teufel aus ihrem neuen Buch «Semperoper Dresden» bieten Kulturfreunden gute Unterhaltung. Im elbseitigen Vestibül ist die Ausstellung «25 Jahre neue Semperoper» zu sehen. Zum Ausruhen und Erfahrungsaustausch bieten sich in der Garderobe die berühmten Sofas aus der Operette »Die Fledermaus« an. Für Kulinarisches und Erfrischungen ist gesorgt.