Website-Icon Musik in Dresden

Ohne Popcorn, aber musikalisch hinreißend: „Lichter der Großstadt“

"City Lights"-Szene, hier mit dem "Summer Music on the Shannon" Orchestra unter Carl Davis (Foto: Paul O’Mahoni)

Früher gab es in den öffentlichen Fernsehanstalten noch eine Sparte am Vormittag oder am frühen Nachmittag. Dort wurden alte Stummfilmklassiker wiederholt – Buster Keaton und Harold Lloyd gaben sich die Klinke in die Hand und im Vorabendprogramm gab es statt Reality-Soaps die Kalauer der "Väter der Klamotte". Diese Zeiten sind vorbei, doch gottlob haben die Orchester entdeckt, dass die musikalische Stummfilmbegleitung eine ganz eigene Qualität darstellt, die damals wie heute zu Entdeckungen einlädt. So existieren zu großen Murnau-Filmen gleich mehrere Musikrealisierungen; auch zeitgenössische Umsetzungen entbehren nicht eines Reizes.

Ganz anders liegt der Fall bei Charlie Chaplin, der nicht nur als Schauspieler und Regisseur  brillierte, sondern dem die Musik seiner eigenen Filme besonders am Herzen lag. So sind wir heute in der Lage, den Film "City Lights" – "Lichter der Großstadt" mit Chaplins eigener Musik zu bewundern – und was ist dies für eine brillante, schillernde Partitur! Zugegeben: manche Melodie wird er nur angerissen oder seinem Sekretär zugepfiffen haben (eine Situation, mit der mancher Komponist von heute gerne tauschen würde…), aber das Ergebnis schafft gemeinsam mit dem Film ein höchst unterhaltsames Erlebnis.

Dass der Dresdner Kulturpalast ausgerechnet im Genre Filmmusik sogar ganz ohne Sanierung doch so etwas wie Atmosphäre verströmt, überrascht nicht. Denn genau an diesem Ort ist Platz für eine riesige Leinwand und ein mit Lämpchen abgedimmtes großes Orchester. Angesichts der steigenden Sitzreihen stellt sich ohnehin Kinofeeling ein. Nur das Popcorn fehlten an diesem Sonntagvormittag – wir zahlen Tribut an die Konzertkonventionen. Die Konvention des Stillsitzens wird aber spätestens nach den ersten Filmminuten durch Chaplin selbst aufgebrochen.

Gemeinsam mit der hervorragend präzise und spielfreudig musizierenden Dresdner Philharmonie gerät diese Komödie zu einem Leckerbissen. Und man merkt: so locker, wie die Musiker auf der Bühne agieren, so entlädt sich auch das Lachen der Dresdner im Parkett – der Chaplinsche Humor ist zeitlos, die filmische Umsetzung der einfachen Geschichte immer noch grandios. Schön, dass man zur Filmmusik auch einen Spezilisten am Dirigentenpult verpflichten konnte.

Der freiberuflich arbeitende Dirigent Helmut Imig ist gern gesehener Gast bei vielen großen Orchestern. Sein Herzblut für diese Musik ist bei der Aufführung direkt spürbar. Dieser Funke sprang auf die Philharmoniker über, und man staunte über die Lässigkeit der rasanten Tanzpassagen, über das romantische Kolorit mancher Liebesszene; oder man bewunderte den typisch melancholischen Ton aus der Riege der Saxophone und Klarinetten. Ganz klar: am Ende ging es nicht ohne Zugabe ab, denn Helmut Imig und das Orchester erhielten einen absolut verdienten, großen Applaus, den der Dirigent postwendend an die Leinwand zu Charlie Chaplin weiterleitete. Ob nun neues Konzerthaus oder nicht: Filmmusik sollte einen festen Platz im Programm der Dresdner Philharmonie erhalten – die musikalische Palette ist unerschöpflich und der Zuspruch des Publikums zeigte, dass hoher Anspruch und "leichte Muse" durchaus zu einem tollen Ergebnis führen kann.

Die mobile Version verlassen