Dass einmal eine Krönungs-Musik für einen englischen König und eine Messe für einen französischen König den festlichen Rahmen für das 60jährigen Bestehen des Dresdner Universitätschors bilden würde, wäre 1950 bei Gründung des Universitätschores aus sangesfreudigen FDJ-Mitgliedern der Arbeiter- und Bauernfakultät nicht vorstellbar gewesen.
Magnifizenz Prof. Kokenge ließ in seiner Festrede die Geschichte des Ensembles lebendig werden, die eng mit dem kulturellen Leben an der TU Dresden und auch der Stadt Dresden verbunden ist. So hat der Chor neben klassischen Chorwerken auch viele Uraufführungen erarbeitet, die aus bestimmten politischen Anlässen in engem Kontakt mit Chorleitung und Chor entstanden sind. Andererseits gibt ein gängiges, Ideologie-unabhängiges Repertoire, das die meisten Chöre beherrschen und das ich als Mitglied des Leipziger Universitätschores von 1960 bis 1964 ebenso kennenlernen konnte wie die Mitglieder des Dresdner Chores. Die Madrigale des 16. und 17. Jahrhunderts z. B. sind eine gute Sangesschule, die auch unter sozialistischen Bedingungen unabdingbar war. Das Programmheft zum Festkonzert bietet daher einen instruktiven und amüsanten Überblick über 60 Jahre Chorgeschichte, und einige Chormitglieder aus der Frühzeit der Chores, die mitwirkten, werden sich mancher Episode erinnert haben.
Maja Sequeira hatte sich diesmal der Unterstützung der Vogtland-Philharmonie Greiz/Reichenbach versichert, die den Orchesterpart professionell gestaltete. Kennern der englischen Royals wird Händels Krönungs-Anthem mit den Instrumentalsätzen „A Grand Instrumental Procession“ von der Krönung Elisabeths II. bekannt sein: Seit der Krönung Georgs II. 1727 ertönen diese festlichen Klänge immer zu solchen seltenen Anlässen.
Luigi Cherubini (1760-1842), italienischer Komponist, der in Frankreich ab1786 alle politischen Umwälzungen bis zum Bürgerkönigtum erlebte, war als Opern- und Kirchenkomponist und als gefragter Leiter des Pariser Conservatoire, der wichtigsten Musikhochschule Europas nach 1820, eine zentrale Gestalt des Pariser Musiklebens. Seine Messe Solennelle von 1814 entstand anlässlich der Krönung von Louis XVIII., der nach Napoleons Sturz wieder den Thron einnahm und
die Restauration in Frankreich einleitete. Cherubinis Chor-Messe entstammt bester italienisch-französischer katholischer Kirchenmusik-Tradition: Ganz dem Text verpflichtet setzt die Musik dort dramatische oder lyrische Akzente, wo es die Worte der Messe erfordern.
Zwischen Credo und Sanctus konnten alle dem fünfminütigen Sonnabend-Geläut der Lukaskirche lauschen, auch ein besonderer Akzent dieses Festkonzertes.
Dem Chor und seiner Leiterin sind viele weitere Aufführungen zu wünschen, machen sie doch das Dresdner Publikum mit unbekannten, gleichwohl aufführungswerten Werken in hoher musikalischer Qualität bekannt.