In einer bestimmten Hinsicht war das 8. Zyklus-Konzert der Dresdner Philharmonie am vergangenen Wochenende Labsal für die von zahlreichen Jubilarehrungen doch ein wenig strapazierten Ohren: Einmal kein Chopin, Mahler oder Schumann, stattdessen gleich zwei Sinfonien eines gewissen Franz Schubert. Nicht, dass der große Schubert zu wenig erklingen würde, aber die Koppelung der frühen 3. Sinfonie D-Dur mit der berühmten "Unvollendeten", beileibe nicht seinem letzten Werk, war doch ein gewichtiges Ausrufezeichen.
Der ab der nächsten Spielzeit als erster Gastdirigent der Dresdner Philharmonie tätige Markus Poschner zeigte hier schon einmal vorab, mit welcher Qualität man bei seinen Interpretationen zu rechnen hat, und das ging in den ersten Takten der 3. Sinfonie los, einem Stück, dem man eigentlich keinerlei Überraschungen zutraut. Doch wie Poschner hier den Klang der Philharmoniker auffing, modellierte und wieder an die nächst folgenden Instrumente abgab, das war höchst eindrucksvoll. Das ständige Geben und Nehmen inspirierte das Orchester zu einem fülligen, natürlichen Gesamtklang, bei dem alle einander derart aufmerksam zuhörten, dass die Sinfonie vor dem Ohr wie neu entstand. So konnte sich federnd-leichtes Musizieren entwickeln, wirkten die flüssigen Mittelsätze elegant, das italienischem Vorbild nachempfundene Finale klar und spritzig.
Solchermaßen gut aufgelegt erwarteten die Zuhörer das Violinkonzert "Tala Gaisma" (Fernes Licht) des lettischen Komponisten Peteris Vasks (*1946). Spannendes und bislang Unentdecktes der Konzertliteratur des 20. Jahrhunderts ist bei Konzertmeister Wolfgang Hentrich in besten Händen, das wissen wir nicht erst seit den Interpretationen der Werke von Bernstein und Hindemith, die in guter Erinnerung sind. "Fernes Licht" ist zwar sehr virtuos und ausgesprochen dankbar für die Geige komponiert, allerdings dürfte das 1996 durch Gidon Kremer uraufgeführte Werk kaum als zeitgenössische Musik durchgehen. Munter bedient sich Vasks aus dem Fundus der Kompositionstechniken aller möglichen Epochen, doch Aleatorik, Walzerschübe und bittertraurige (warum bloß?) diatonische Melodien fügen sich auch über die Brücke von drei halsbrecherischen Kadenzen kaum ineinander. Was als "gut verständliches" Werk im Programmheft benannt wird, kommt an zu vielen Ecken eben als beliebig und sattsam bekannt daher. So konnte man nur die vollkommene Hingabe von Hentrich bewundern, der gemeinsam mit Poschner und dem Orchester die luziden Klänge zu einem runden Ganzen formte und den Fokus auf die Klangfarbe legte, dem Kern des Geschehens.
Wer anschließend meinte, ein just angepfiffenes, höchst wichtiges Fussballspiel am Sonntagabend hätte alsdann die Musiker zu eiligem Beenden des Konzertes verleitet, war auf dem Holzweg. Markus Poschner gelang eine intensive, flüssige und niemals melancholisch-überzogene Darstellung der 7. Sinfonie von Schubert. Damit wurde Gewichtiges gesagt und einmal mehr zeigte die Philharmonie ihre Klasse im detailschönen und homogen aufeinander abgestimmten Musizieren.
Eine Textfassung des Artikels ist am 15. Juni in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.
Bild Peteris Vasks: Atis Ievins