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Minimal Dracula – Das Kronos Quartett spielt Philip Glass zu „Dracula“ bei den Filmnächten

Stummfilmvorführungen mit Live-Musik sind in letzter Zeit wieder in Mode gekommen, „back to the roots“ sozusagen. Doch fast 100 Jahre nachdem sich Dimitri Schostakowitsch im Kino am Klavier seinen Lebensunterhalt verdiente und dies stets als Fronarbeit beschrieb, picken sich Musiker heute die Perlen der Filmmusik heraus und führen sie in großem Rahmen und mit konzertantem Anspruch auf. Das Dresdner Publikum konnte derartiges unlängst erleben, als die Dresdner Philharmonie mit der Aufführung von Charlie Chaplin’s „City Lights“ ein breites Publikum im Kulturpalast begeisterte.

Einen solchen konzertanten Anspruch hatte auch die Vorführung der restaurierten Version von „Dracula“ aus dem Jahre 1931 mit Philip Glass, Michael Riesman und dem Kronos Quartet bei den Filmnächten am Elbufer. Philip Glass, hat als zeitgenössischer Komponist wie kaum ein anderer den Spagat zwischen „ernsthafter“ Musik (man denke zum Beispiel an sein Violinkonzert) und „Unterhaltungsmusik“ (insbesondere mit seinen Filmmusiken) geschafft, und sich dabei stets einen sehr markanten persönlichen Stil bewahrt. Sicher, die sehr repetitive „minimal music“ ist nicht nach jedermanns Geschmack, aber als eingängige Filmmusik konnte sie z.B. in „The Hours“ oder „The Truman Show“ ein sehr großes Publikum erreichen. Die Musik zu „Dracula“ für Streichquartett, die Glass 1998 anlässlich der Restaurierung des Filmklassikers schrieb, ist zwar weniger populär, gehört aber sicher zu seinen besten Filmmusiken.

Des Privilegs, das Dresden zuteil wurde, als eine von 4 europäischen Stationen (neben London, Berlin und Lyon) eine Aufführung mit dieser prominenten Besetzung zu erleben, schien dem Dresdner Publikum trotz bester Werbung nicht ganz bewusst geworden zu sein. Der drohende Regen und nicht zuletzt der hohe Eintrittspreis haben sicher dazu beigetragen, doch blieben leider arg viele Plastestühle leer. Die gekommen waren, bereuten es jedoch nicht, die Musik und der Film gingen einen fesselnde Symbiose ein, die die Zuschauer anderthalb Stunden am Stück in ihren Bann hielt.

Dass die Musik dabei im Vordergrund stand, war schon durch den Aufbau deutlich gezeigt, das Ensemble saß auf einer extra Bühne vor der Leinwand und gab dank der Tonmeister auch akustisch den Ton an. So schön es war, einmal die Filmmusik nicht nur als schmückendes Beiwerk zum Film zu erleben, so war es doch der Verständlichkeit des Filmes abträglich. Nicht wenige Zuschauer mögen auch nicht erfreut gewesen sein, davon überrascht zu werden, den Film unangekündigt als Originalversion ohne Untertitel zu sehen. Nun ist der Film inhaltlich nicht gerade überkomplex und die Mimik/Gestik und der Schnitt lassen vermuten, dass er vielleicht auch für Stummfilmvorführungen mit Texttafeln geeignet sein sollte, das Verfolgen des Filmes war jedoch erschwert.

Dank der Musik von Philip Glass erzeugte der Film trotzdem eine ungeheure Wirkung, die ausufernde Mimik der Darsteller, allen voran der Draculablick des Béla Lugosi, die fast schon barocken Kulissen und die düstere Stimmung wurden von der schwelgerischen, fast hypnotisierenden Musik getragen und mannigfaltig überhöht. Gerade die Szenen in den Bergen Transsylvaniens und der Burg Draculas hätten ohne die Musik heute wohl fast lächerlich gewirkt, so aber erzeugten sie eine Spannung, die den ganzen Film über tragen sollte. Unterbrochen wurde diese lediglich durch die aus heutiger Sicht recht hanebüchenen „Spezialeffekte“ wie die an gut sichtbaren Bindfäden durchs Bild gezogenen gürteltierähnlichen Kuscheltiere, die wohl Ratten darstellen sollten, oder die niedlichen Fledermausmarionetten, die regelmäßig für Lacher im Publikum sorgten.

Das Kronos Quartett, Michael Riesman und Philip Glass überzeugten mit einer engagierten, kraftvollen Vorstellung. Viel Raum zur künstlerischen Entfaltung boten Filmmusik und Film ja nicht, aber ihnen gelang es, Spannung und Dynamik trotz mitunter hoher technischer Schwierigkeiten über die gesamte Filmlänge zu transportieren, was angesichts der Durchsichtigkeit des Satzes und Exponiertheit jedes Einzelnen im Streichquartett sehr hoch anzurechnen ist. So wichtig Michael Riesman als Dirigent der Aufführung für die Synchronisation mit dem Film war, so wenig künstlerisch notwendig erschien die Hinzunahme von zwei Klavieren zum hervorragenden Original-Soundtrack für Streichquartett. Hier mögen wohl andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein.

Das Dresdner Publikum jedenfalls nahm das Gesamtkunstwerk begeistert auf, langer Applaus verabschiedete die Künstler, und selbst der Regen wartete respektvoll bis nach Ende des Konzertes. Man kann nur hoffen, das uns solche Leckerbissen mit international renommierten Künstlern weiterhin geboten werden und in Zukunft auch in Dresden eine angemessen großes Publikum finden.
 

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