In Dresden war die Saison zu Ende, da ging es zum Gastspiel nach Fürth. Abgesehen vom Erfolg vor treuem und neu hinzugekommenem Publikum, dass zunächst dem Bühnenbild ein Applaus galt, freut den Intendanten der Staatsoperette Wolfgang Schaller außerordentlich. Ist ja auch ein besonderes Bühnenbild, denn Offenbachs „La Périchole“, das Stück von den Künstlern, die weder Brot noch Bleibe haben, spielt vor dem Gebäude der Staatsoperette.
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Also in bester Laune angekommen, nach einer Hitzeschicht in Leuben, gibt Wolfgang Schaller am Abend entspannt Auskunft über das was war, kommentiert den gegenwärtigen Stand und blickt mit Vorfreude in die Zukunft.
Für ihn geht das siebte Jahr zu Ende, alles andere als ein verflixtes, im Gegenteil. Die Krise brachte keinen Rückgang der Besucher, einen Anstieg, man liegt wieder bei 85 Prozent und mit 90 bis 91 Prozent waren Januar und Februar einfach Spitze.
Das gut gefüllte Haus ist eine Sache, das Vertrauen der Besucher eine andere, ein kostbares Gut, in sieben Jahren erworben. Damit meint Wolfgang Schaller, sie sind bereit auch auf unbekannte Gefilde der Operette und des Musicals zu folgen. Uraufführungen, Entdeckungen und Ausgrabungen vergessener Werke oder wie jüngst die Erstaufführung von Gershwins Dresden-Musical „Pardon My English“ stehen gleich hoch in der Gunst des Publikums wie die bekannten Werke des Genres. Und auch hier ist man bereit sich auf zeitgemäße Sichtweisen einzulassen. Das Konzept, die Möglichkeiten traditionelle Wege immer wieder zu prüfen, die Chancen innovativer ebenso, daraus einen kreativen Spielplan zu entwickeln, der die Facetten des Ensembles in ihren vielen Dimensionen aufleuchten lässt, ist nach sieben Jahren aufgegangen.
Zum positiven Echo im Parkett kommt das der Fachleute, Konzertveranstalter, Agenturen, Verlage, Rundfunk und Labels. Es spricht für die Qualität des in seiner Art einzigen Ensembles, dass man in erstklassigen Konzertsälen wie in der Kölner Philharmonie oder in Essen regelmäßig zu Gast ist. Zu Beginn des nächsten Jahres leistet die Staatsoperette einen prominenten Dresdner Beitrag in der Region der Kulturhauptstädte des Jahres 2010.
Und die Pläne für den Umzug, den Neubau, oder was auch immer? Für Wolfgang Schaller geht die Diskussion ins achte Jahr. Sie reicht viel weiter zurück. In den siebziger Jahren, mit der Neugestaltung der Prager Straße, stand die Frage nach dem neuen Domizil der Operette schon zur Debatte. Vom Neubau neben dem Schauspielhaus war die Rede, vom Standort Heizkraftwerk redet man ja auch nicht erst seit gestern oder vorgestern.
Man vergisst immer mal wieder, dass im Leubener Theater seit Jahrzehnten auf Verschleiß gefahren wird, mehr als das Allernötigste wurde nicht gemacht. Temperaturen und Luftverhältnisse im zumeist ja voll besetzten Saal sind eine Sache; was das auf der Bühne, in den Garderoben und Werkstätten bedeutet, verbietet eigentlich von Arbeitsbedingungen zu sprechen. Aber auf die Frage, ob denn das alles nicht langsam aber sicher nur noch nerve und entmutige, die Zusagen und Vertröstungen, die Ideen und deren Verwerfungen, die Termine und deren Korrekturen, kommt die so klare wie deutliche Antwort: „Nein.“ Dagegen stehen die Arbeit des Ensembles, das Vertrauen des Publikums und das künstlerische und moralische Ethos eines Intendanten.
Der kulturpolitische Konsens ist unbestritten: ohne Operette fehlt Dresden die große Vielfalt des Musiktheaterrepertoires und damit eine entscheidende Komponente der regionalen und überregionalen Ausstrahlung als Kulturmetropole.
Auch das „Ja“ des Stadtrates ist ebenso wenig anzuzweifeln wie das der Oberbürgermeisterin. Für Schaller befindet man sich in einer Phase, in der erneut das Machbare unter neuen Prämissen geprüft wird. Das ist, so betont er, auch ein demokratischer Vorgang, gilt es Demokratie zu lernen, dann heißt das auch, sich in Geduld zu üben.
Die „große“ Lösung, das „Kunstkraftwerk“ gemeinsam mit dem tjg im Heizkraftwerk wäre die maximale Variante, „aber ich hätte auch den Mut, allein ins Heizkraftwerk zu gehen“, so Wolfgang Schaller. Durch die Veränderung der Förderbedingungen beim Erhalt von Kulturdenkmälern, wie dem Heizkraftwerk, kommt jetzt auch der Standort eines Neubaus am Wiener Platz wieder in die Diskussion.
Nein, von Resignation kann nicht die Rede sein, „Wir nutzen die Zeit“, so Wolfgang Schaller, was wir jetzt machen, ist unser „Warmlaufen für den Neubau“. Die neue Spielzeit und deren Vorhaben sind die Beweise, man wird sich erneut auch überregional, beim Publikum und bei den Fachleuten ins Gespräch bringen. Wo gibt es denn sonst ein Johann-Strauss-Festival mit einem versierten Ensemble und einem Spezialisten vom Range eines Ernst Theis am Pult? Im Programm Stücke, die man nur in Dresden erleben kann: „Der Carneval in Rom“, „Das Spitzentuch der Königin“, „Prinz Methusalem“.
Da, wo die komplette szenische Realisation nicht mehr möglich ist, hat man neue und kreative Arten der Präsentation entwickelt. Das Festival wird begleitet von einer Tagung zur historischen Aufführungspraxis. Außerdem wird die Offenbach-Linie fortgesetzt, und nach ihren Erfolgen in „Ritter Blaubart“ und „La Périchole“ wird Sabine Brohm „Die Großherzogin von Gérolstein“ sein. Für die unkommerzielle Form des Musicals steht ein Altmeister wie Stephen Sondheim, sein hochinteressantes Stück „Passion“ kommt als deutsche Erstaufführung heraus. Den Tribut an die „große“ Operette zollt man mit Neuinszenierungen „Der Graf von Luxemburg“ und „Der Zigeunerbaron“.
Ein Projekt, das eigentlich für den Standort im Zentrum geplant war, kommt doch schon heraus: für Dresdner und ihre Gäste bereitet das Ensemble eine Weihnachtsshow der besonderen Art vor, schon jetzt ist der Zuspruch des Publikums groß. Und im Oktober wird im Rahmen einer Tagung zur Kurt-Weill-Interpretation die Konzertreihe mit der Wiederaufführung von Radiomusiken aus der Anfangszeit des Mediums fortgesetzt. Die Entdeckung „Leben in dieser Zeit“ von Edmund Nick und Erich Kästner ist gerade mit dem Ensemble der Staatsoperette unter der Leitung von Ernst Theis in attraktiver Aufmachung mit Informationen und historischem Bonusmaterial als CD beim Label cpo erschienen.
Und dann, ohne allen Optimismus zu trüben, doch sehr ernsthaft, natürlich gehöre die Hoffnung auf eine Entscheidung zur Zukunft der Staatoperette zu den wichtigsten für die neue Saison. „Das Ensemble hat es verdient, das Publikum ebenso die Opfer sind groß“, so Wolfgang Schaller. Und jetzt? Sommerpause, kühle Ostseefluten, auftanken, dann wie schon gesagt, warm laufen für den Umzug.
Eine Textfassung des Artikels ist am 22. Juli in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.