Stehen zwei Väter im Central Park von New York, starren auf ihre bestens bespaßten Kinder und kommen so zwangsläufig wie lustlos miteinander ins Gespräch: Was machst denn du so? – Und selbst? Der eine erweist sich als Saxofonspieler und Komponist, der andere spielt Cello. Wie langweilig. Zwei Kreative im Big Apple! Hätte es denn nicht ein originellerer Auftakt sein können?
Jahre später stehen dieselben Männer im Schloss von Moritzburg, geben die Story ihres ersten Kennenlernens zum Besten, doch da sind sie schon der Composer-in-Residence sowie der Intendant des Moritzburg Festival 2010. Daniel Schnyder also und Jan Vogler, wie sie im Speisesaal des Moritzburger Schlosses stehen und einander die musikalischen Vorlieben, die künstlerische Vita sowie den Weg aus der Schweiz respektive aus Sachsen gen Hudson beschreiben, das hat schon was sehr Authentisches.
Foto: www.danielschnyder.com
Daniel Schnyder, nach John Harbison, dem wohl politischsten aller lebenden amerikanischen Komponisten in diesem Jahr Composer-in-Residence des Moritzburg Festival, ihn trieb es vor reichlichen Jahren aus der Enge des Alpenlands in die Schluchten von Manhattan hinein. Mal musizierte er jazzig in Clubs, mal komponierte er „klassisch“ für Oper, Orchester und Kammerensembles. Sein Spektrum ist breitest gefächert, auch als Interpret widmet sich der 1961 in Zürich geborene Schnyder mal diversen Saxofonen, mal den Flöten. Er schrieb aber auch schon Konzerte für Pipa, für Alphorn sowie für afrikanische und arabische Ensembles. Für diese Vielfalt hat er eine ganz einfache Erklärung: „Würde ich in der Schweiz nach dieser Breite suchen, müsste ich ewig warten. In New York sind sie alle schon da, die Jazzer ebenso wie die Klassiker, die Afrikaner wie die Araber.“ Und selbstredend fällt es ihm wesentlich leichter, internationale Künstler zu Aufnahmen nach New York zu holen als, nur so als Beispiel, nach Solothurn.
Die Internationalität ist Daniel Schnyder höchst wichtig. Sein Schaffen widerspiegelt die Einflüsse aus Klassik, Jazz, Weltmusik. Multikulturelles Herangehen im Zeitalter von Globalisierung und offenen Grenzen, was könnte diese Realität besser beschreiben als die Musik dieses launigen Künstlers, dem seine Erdung die Grundlage gibt zu inspirationsvollen Höhenflügen?!
In Moritzburg nun und in Dresden ist Daniel Schnyder mit einem kleinen Querschnitt seiner Werke präsent. Zum Eröffnungskonzert in der VW-Manufaktur stand sein „Songbook“ für Saxofon und Orchester im Mittelpunkt zwischen Barber und Beethoven. Ein launig virtuoses Werk, dessen Soloparts Schöpfer Schnyder perfektionistisch durchdeklinierte. Kurzstücke des waghalsigen Klangkünstlers standen auch im Moritzburger Speisesaal auf dem Programm. Humorvolle Titel, „Yellow Beachbirds“ etwa, „Cairo“, „No Tuba Today“ sorgten schon für eine entspannte Erwartungshaltung, eine Opernarie von Vivaldi, deren Gesangsstimme das Saxofon ausführte, bot den i-tüpfelnden Rest.
Viel zu kurz war er in der einstigen Residenzstadt vor Ort, der Composer-in-Residence Daniel Schnyder, aber was er kompositorisch, improvisierend und interpretatorisch geboten hat, das war ganz große Kunst. Da ist das Moritzburg Festival auf einem sehr guten Weg.
Die beiden Künstler, Jan Vogler aus Sachsen und Daniel Schnyder aus der Schweiz, sie vermissen in New York nichts so sehr wie den unpasteurisierten Schweizer Käse. Dagegen sollte doch anzuspielen sein!