Als Prolog zum "Tonlagen"-Festial des Europäischen Zentrums der Künste Hellerau konnte man am Sonnabend eine besondere Aufführung im Festspielhaus erleben. Der Berliner Komponist Moritz Gagern lud zu einem Konzert für 50 Windgongs und kleines Ensemble ein. Noch ohne einen Ton gehört zu haben, war die Szenerie beeindruckend: ein ganzer Wald aus Gongs hing von der Decke herab, dazwischen hatten Musiker verschiedenen Spielorte, zu Beginn waren sie weit im Raum verteilt. Man könnte mutmaßen, die Komposition würde entweder die chinesische Musiktradition dieser Instrumente betrachten oder aber einen avantgardistischen Höllenlärm verursachen.
Beides war nicht der Fall und das war das Glück dieser Veranstaltung, denn Gagern beschäftigte sich eindringlich mit dem Klangcharakter der Instrumente. Die Flachgongs von unterschiedlichem Durchmesser und Schliff haben die Eigenschaft, besondere Obertonspektren zu entwickeln, das Verklingen und Vermischen dieser Resonanzen erzeugt eine Tonsprache, die mit unseren gewohnten (europäischen) Klangmaterialien wenig gemein hat. Trotzdem oder gerade deswegen stellte Gagern den Gongs ein kleines Kammerensemble bestehend aus Geige, Cello, Trompete, Bass- und Kontrabassklarinette sowie Vibraphon und Marimbaphon zur Seite. Damit entwickelte sich ein Dialog aus liegenden, geschlagenen, verhallenden Tönen.
Der Windgongwald zu Hellerau. Imponierende Bilder und Klänge. (Foto: Alexander Keuk)
Der experimentale Charakter verschwand dennoch nicht, denn die Musiker hatten teilweise auf die "Angebote" der Gongs zu reagieren, zudem sorgte die Hängung und Entscheidung für den großen Festspielsaal für ein nicht exakt wiederholbares Ergebnis. Die Musiker Elfa Rún Kristinsdóttir, Lea Rahel Bader, Damir Bacikin, Theo Nabicht, Matthias Engler und Friedemann Werzlau musizierten mit großer Ruhe und Übersicht und gaben sich live diesem Dialogspiel hin – allerdings ohne Dirigent, was manchmal zu einer gewissen Vagheit führte. Dramaturgisch verdichtete Gagern das Material immer mehr, bis alle Musiker am Ende inmitten der Gongs agierten. Der Beginn war eine sublime Erforschung des Klangraumes, der stark wirkte. Innerhalb des 50minütigen Werkes gab es aber auch einige Passagen, die – je nach Höranspruch oder eigener Empfindung – weniger tragend waren.
So war die Verbindung der Gongs mit dem großen Raum und frontalem Publikum stets distanziert – eine sehr fokussierte Hörkonzentration war für viele am Rande des Wahrnehmbaren stattfindende Aktionen notwendig. Wenn der Nachklang oder die Vermischung mit den Instrumentalklängen wirklich Tonwellen aussandte, wurde es spannend, aber dies war zu selten der Fall und hätte von Gagern mehr ausgekostet werden dürfen. Zudem beschränkte sich Gagern nicht auf die anfängliche Gong-Erforschung, sondern lenkte die Aufmerksamkeit mehr und mehr von den Gongs als Hauptdarstellern weg zum selten schweigenden Kammerensemble, das im letzten Drittel des Stücks nicht immer plausible stilistische Kontraste formte – es blieben jedoch feine klangliche Momente im Gedächtnis. Die Windgongs werden ab 1. Oktober bei den Tonlagen als bespielbare Installation im kleineren Nancy-Spiro-Saal aufgehängt, wo sich eine ganz andere Räumlichkeit einstellen wird. Am 13. Oktober wird dann erneut ein Windgong-Konzert stattfinden, anders, und wieder neu.
Eine Textfassung des Artikels ist am 6. September in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.