Fünf Jahre in Sachsen gehen zu Ende – vorher war Frank Löschmann in Wolfsburg für Volkswagen sowie in Barcelona für Seat beschäftigt, nachdem er bereits um die Jahrtausendwende bei Volkswagen im Werk Zwickau tätig war. Ab Oktober wird der bisherige Sprecher der Geschäftsführung und Technikchef von Volkswagen Sachsen neuer Konzernbeauftragter in Indien sein. Vor dieser neuen Herausforderung gestattete sich der 46-jährige Niedersachse einen Rückblick und sprach mit Michael Ernst über das Engagement der Gläsernen Manufaktur für Dresdens Kultur.
Manufaktur mit Kultur: in der "großen Halle des Automobilvolkes" finden regelmäßig Konzerte und andere Veranstaltungen statt. Frank Löschmann im Gespräch mit Klaus Maria Brandauer (Foto: PR)
Herr Dr. Löschmann, als Sie die vor zehn Jahren errichtete Gläserne Manufaktur übernahmen, war das Unternehmen bereits stark im kulturellen Geschehen von Dresden involviert. Als fester Partner von Staatskapelle, Kunstsammlungen, Musikfestspielen und Moritzburg Festival gab es enge Bindungen. Welchen Gestaltungsspielraum hatten Sie da als neuer Chef?
Frank Löschmann: Sie können sich vorstellen, dass die Mitarbeiter von Volkswagen die Gläserne Manufaktur in Dresden als ein echtes Highlight des Konzerns sehen. Das gilt sowohl für das Produkt als auch für das Gebäude, das ja als positiven Kontrapunkt zu den historischen Werten das moderne Dresden repräsentiert. Hier auch kulturelle Höhepunkte zu setzen, lag also auf der Hand.
Gerade das kulturelle Engagement ist stark von Personen abhängig. Da werden bestehende Partnerschaften natürlich in regelmäßigen Abständen überprüft, um zu überlegen, mit wem und wie wir Kooperationen fortsetzen wollen. Ich sah allerdings keine Notwendigkeit, vorhandene Kontakte zu lösen. Gerade die Kontinuität, wie wir sie leben, ist ja ein Wert – die Partner kennen sich, vertrauen sich und schaffen dadurch eher noch mehr. Folglich halte ich es für sinnvoll, ein bewährtes Engagement beizubehalten und sich dabei begleitend zu versichern, dass alles im Detail funktioniert.
Meine Kunstaffinität geht da durchaus mehr in die Breite und zieht neben der reinen Hochkultur auch leichtere Klassik und selbst Pop sowie schauspielerische Experimente ins Haus. Schließlich zielt der Anspruch von Volkswagen ja auch nicht nur auf den Phaeton-, sondern auf alle Volkswagen Kunden.
Und was den Spielraum betrifft: Natürlich ist die Manufaktur kein Theater und wird auch nie eines werden. Aber das bevorstehende AHAB-Projekt mit Dominique Horwitz wird interkulturell Schauspiel, Literatur und Musik zusammenbringen. Das ist mir in der Tat ein sehr persönliches Anliegen.
Welche neuen Ausrichtungen hat es in Ihrer Amtszeit gegeben?
Vor allem die gewachsene Bandbreite, mit der wir Familien und insgesamt jüngeres Publikum ansprechen. Bei Projekten wie „Kapelle für Kids“ und „Klassik Picknickt“ haben wir uns von Pyramidenspitzen verabschiedet und die Formate wesentlich offener konzipiert. Im Ergebnis zeigt sich, wie gut Kultur und Manufaktur zusammenpassen.
Bestimmte Themen möchte ich aber auch gern mit nach Indien und China nehmen, wo die Begeisterung für Kultur immens ist! Es wäre ja lässlich, wenn wir diese Chance nicht nutzen würden.
Als Geschäftsmann müssen Sie sehr genau nach Aufwand und Nutzen schauen – in nackten Zahlen lässt sich der Sinn von kulturellem Engagement kaum festhalten?
Nein, da haben Sie völlig recht. Das ist aber auch nicht das Ziel. Man darf nicht zwingend erwarten, nach einem Konzert drei Autos mehr zu verkaufen. In diesem Moment wiegt die gesellschaftliche Verantwortung sicherlich schwerer.
Aber auch wenn das kaum in rechenbaren Größen darstellbar sein wird: Der Kunde honoriert unser Kulturengagement, er sieht die Marke Volkswagen als Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens – und wir manifestieren durch unsere Aktivitäten ihren Premiumanspruch. Das zahlt sich aus. Hohe Qualität als Verkaufsmerkmal hat bei uns ja auch eng mit Klangkunst zu tun – das Dynaudiosystem aus dem Phaeton erklingt jetzt zum Beispiel auch im Passat und Golf.
Eine Frage, die ich Ihrem Vorgänger bereits gestellt hatte: Birgt die Unterstützung privater Sponsoren nicht auch die Gefahr, dass sich öffentliche Träger aus der Verantwortung stehlen?
Diese Frage impliziert, dass wir sehr viel Geld investieren. Damit wird die Tiefe unserer Taschen aber deutlich überschätzt. Das sollte man nicht tun – wir haben jedoch rein räumliche Gegebenheiten, Dinge darzustellen, die anderswo so nicht möglich wären. Da kann sich eine ganze Menge ergänzen.
Und aus meiner Arbeit im Aufsichtsrat der Semperoper weiß ich, dass die öffentlichen Träger den Auftrag der Kulturvermittlung sehr ernst nehmen. Da möchte ich gern auch mal eine Lanze für die Verwaltung brechen. Das habe ich anderswo schon ganz anders erlebt. Hier in Dresden ist man sich doch sehr bewusst, im kulturellen Meer einer der hellsten Leuchttürme in ganz Europa zu sein.
In Dresden liegt die Nähe zur Kultur auf der Hand. Verlangt möglicherweise auch umgekehrt ein Luxusprodukt nach sogenannter Hochkultur?
Den Begriff der Hochkultur mag ich gar nicht. Wir sind keine zweite Semperoper, wünschen für unsere Projekte aber klare Alleinstellungsmerkmale. Die können sich mal auf Hélène Grimaud beziehen, aber ebenso auf Jan Delay. Gewiss ist der Phaeton-Kunde schon aufgrund seines Alters relativ offen.
Der Phaeton ist gewiss kein Einsteigerfahrzeug für Führerscheinneulinge, dennoch gibt es in Ihrem Haus eine Reihe von Aktivitäten für junges Publikum, warum?
Weil wir gelernt haben, dass auch das junge Publikum ein Interesse an automobiler Kultur hat. Dem ging voran, dass viele Eltern signalisiert hatten, sie würden gern zu Veranstaltungen kommen, wenn nur ihre Kinder betreut werden könnten. Inzwischen ist uns das ein großes Anliegen, denn die Begeisterung der Kinder ist enorm. Die werden sich irgendwann daran erinnern, dass sie mit Jan Vogler einen der weltbesten Cellisten in der Gläsernen Manufaktur erlebt haben.
Mir persönlich steht auch die damit verbundene Bildung sehr nahe, selbst wenn das nicht unser ausdrücklicher Auftrag ist. Nachdem dies aber in der Schule so stark nachgelassen hat, müssen hier andere Kanäle aufgetan werden. Und warum sollten wir da nicht einer sein?
Die Gläserne Manufaktur gilt im so traditionslastigen Dresden als architektonischer Meilenstein, hat aber – anders als das darin gefertigte Produkt – akustisch eher begrenzte Qualitäten. Sind da Änderungen in Sicht- bzw. in Hörweite?
Als wir 2002 während der Flut für die Semperoper eingesprungen sind und „Carmen“ aufgeführt haben, bekam ich akustisch einen Schreck. Inzwischen haben uns aber Akustiker geholfen, aus solchen Prozessen zu lernen. Doch bei allen technischen Möglichkeiten – wir sind kein Konzertsaal und werden nie einer sein. Was hier erklingt, ist immer ein künstlerischer Kompromiss.
Geben Sie Ihrem Nachfolger (neben den rein geschäftlichen Themen) Empfehlungen mit auf den Weg, wie er sich in die hiesige Kulturszene einbringen sollte?
Definitiv gibt es eine technische Übergabe. Aber ich weiß, dass sich mein Nachfolger Hans-Joachim Rothenpieler nicht nur aus Ingenieurs- und Management-Perspektive auf seine neue Aufgabe freut, sondern auch auf die Begegnungen und Herausforderungen in kultureller Hinsicht. Bei so viel Leidenschaft, wie er sie mitbringt, sind gar nicht so viele Empfehlungen nötig.
Welche Gedanken und Erinnerungen an Dresden bzw. Sachsen nehmen Sie nun mit auf den Weg nach Indien?
Es gibt eigentlich drei Bilder und drei Erinnerungen, die mir wichtig sind. Die Aussicht von der Lingner-Terrasse, natürlich die Gläserne Manufaktur und das Panorama der Altstadt, der sogenannte Canaletto-Blick.
Die Erinnerungen – Hélène Grimaud am Klavier unter der Phaeton-Karosserie –, das sieht man sonst nirgendwo auf der Welt, dann „Klassik Picknickt“ mit dem von Jung und Alt gefüllten Rasen und sehr gern erinnere ich mich auch an die unbürokratische Zusammenarbeit mit den Ämtern der Stadt. Eine so unpolitische Zusammenarbeit werde ich wohl künftig vermissen und kann nur hoffen, dass sie hier erhalten bleibt.
Innerhalb des Unternehmens Volkswagen wird es eine Patenschaft der Sachsen für Indien geben. Darauf freue ich mich sehr.