Einen "Artist in Residence" gönnt sich die Dresdner Philharmonie in dieser Spielzeit, wobei drei über die Saison verstreute Konzertbegegnungen nicht zwingend den Titel erklären. Doch für Dresden sollte auch ein seltener Besuch des Weltklasse-Trompeters Håkan Hardenberger eine Ehre sein, denn solch einem vielseitigen Virtuosen hört man gerne und wiederholt zu. Doch nicht jedes Programm lockt den gemeinen Dresdner vom Sofa runter: wo kein Brahms, da kein Publikum und so versammelten sich nicht allzuviele neugierige Zuhörer in der Mitte des Parketts um dem wirklich Neuen und Spannenden zu lauschen.
Schließlich gab es ja auch ein Debüt zu goutieren: der junge russische Dirigent Dima Slobodeniouk, der hauptsächlich in Finnland arbeitet, dirigierte erstmals das Orchester und überzeugte durchaus mit engagiertem und zumeist präzisem Dirigat. Im ersten Teil des Konzertes bereitete man sich mit leichter Klassik auf den Hauptgang nach der Pause vor: Respighi und Mozart hießen die Komponisten – des einen "Antiche Danze ed Arie" (Alte Arien und Weisen, Suite Nr. 1) kamen griffig und musikantisch daher. Für Respighi muss diese künstlerische Beschäftigung mit der Barockmusik ein Ärmelschütteln gewesen sein – die Philharmoniker schlossen sich dieser Leichtigkeit an und präsentierten luftigen Klang.
Nicht ganz so einfach stellt sich der Fall Mozart dar: die g-Moll-Sinfonie KV 183 ist zwar formal einfach gebaut, aber reizvolle Instrumentation mit vier Hörnern und Details wollten herausgearbeitet werden. Das gelang Slobodeniuok mit weiterhin flotten Tempi und schlanker Tongebung gut, vielleicht war manchmal sogar etwas zuviel Aktivität im Spiel. Nach der Pause hätte man dem leider nicht anwesenden HK Gruber auch gleich noch einen Titel namens "Autumn Composer in Residence" verleihen können – hatten doch die Philharmoniker samt dem Konzert vor Wochenfrist bei den Tonlagen Hellerau nicht weniger als drei anspruchsvolle Partituren des Österreichers zu spielen.
Das Trompetenkonzert "Aerial" wurde 1998/99 geschrieben und stellte sich als phantasie- und kraftvolles Konzertwerk dar, bei dem Gruber sowohl einen virtuosen Orchesterpart ausnotierte als auch den Solisten genussvoll an die Grenzen seines Instrumentes führte. Dabei blieb das Stück immer zugänglich: der erste Teil beeindruckt durch sein langsames, fortwährendes Kippen in eine Kadenzlastigkeit, aus der plötzlich jazzartige Schwebungen auftauchten, dazu formulierte Hardenberger Trompetenklänge, die nicht von dieser Welt schienen, so glasig-schön und sanft webte er den Klangteppich mit dem Orchester. Im 2. Teil dann Getümmel, der Blick aus der Luft schien von Windstößen durchzogen, man meint im Orchester fast das Papier auffliegen zu sehen. Immer wieder jedoch fand das Werk dann seine Basis in einem nur Groove zu nennenden rhythmischen Wogen, aus dem auch der Solist seine halsbrecherischen Passagen formte. Das beeindruckte am Ende auch das Publikum und für die Naturalisten gab es noch eine wunderschöne Zugabe auf dem Kuhhorn. So spannend kann Neue Musik sein.
Eine Textfassung des Artikels ist am 18. Oktober in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.