Wolfgang Hänsch hat Dresdens Stadtbild in den Nachkriegsjahrzehnten wesentlich mitgeprägt (Blochmann- und Borsbergstraße, Webergasse, Haus der Presse, Wiederaufbau Semperoper, Innenrekonstruktion des Schauspielhauses). Vor zwei Wochen ließ der Architekt des 1969 fertiggestellten und heute unter Denkmalschutz stehenden Kulturpalastes Klage gegen die Stadt Dresden einreichen (Musik in Dresden am 9.11.2010), um den mit einer „unzulässigen Entstellung“ des Gebäudes verbundenen Umbau gerichtlich untersagen zu lassen. Im Gespräch mit Sven Hetmank vom Institut für Geistiges Eigentum an der Juristischen Fakultät der TU Dresden fragte Michael Ernst nach Chancen und Kosten dieser Klage.
Frage: Welche Chance haben Architekt Wolfgang Hänsch (und „Dresdens Erben“) mit dieser Klage?
Sven Hetmank: Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage lassen sich nur schwer abschätzen, weil aus urheberrechtlicher Sicht weder die Interessen des Architekten noch die Interessen des Gebäudeeigentümers von vornherein überwiegen und daher auch das kleinste Detail letztlich den entscheidenden Ausschlag geben kann.
Grundsätzlich kann sich auch ein Architekt auf das urheberrechtliche Änderungsverbot berufen. Der Urheber eines Werkes soll davor geschützt werden, dass sein Name mit einem Werk in Verbindung gebracht wird, mit dem er sich nach den erfolgten Veränderungen nicht mehr identifizieren kann. Gerade für Architekten gilt ja, dass die öffentlich sichtbaren Bauwerke für ihr OEuvre – also ihr gesamtes künstlerisches Schaffen – stehen.
Auf der anderen Seite muss aber auch der Umstand berücksichtigt werden, dass wir es bei einem Gebäude nicht mit einem Werk zu tun haben, dass ausschließlich dem Bereich der Kunst zuzurechnen ist, sondern um ein Werk mit Gebrauchszweck. Der kann Veränderungen und Anpassungen erforderlich machen.
Zu den weiteren Umständen, die das Gericht berücksichtigen muss, zählen Art und Intensität baulicher Veränderungen, der künstlerische Rang des Werkes, der Grad der Wahrnehmbarkeit durch die Öffentlichkeit und natürlich auch, welche Zeit seit Erstellung des Werkes verstrichen ist.
Entscheidend wird daher vor allem sein, inwieweit es der Stadt als Eigentümerin des Bauwerks gelingt, ihr Interesse an einer Änderung des Zwecks des Gebäudes nachvollziehbar zu begründen, so dass dadurch die Eingriffe in die Bauwerksgestaltung gerechtfertigt erscheinen.
Sichert das Urheberrecht tatsächlich alle Details eines vor 40 Jahren entstandenen Baus, also innen und außen? Für wie lange?
Das Urhebergesetz nennt als geschützte Werke ausdrücklich auch Werke der Baukunst, die damit sowohl in ihrer Außendarstellung als auch in ihrer Innenraumgestaltung urheberrechtlichen Schutz genießen können.
Erforderlich ist, dass dem Architekten ein gewisser Gestaltungsspielraum zustand und er diesen auch bewusst ausgefüllt hat. Die Bauwerksgestaltung darf also nicht nur Ergebnis eines rein routinemäßigen Schaffens sein, sondern muss sich von durchschnittlichen und naheliegenden Lösungen abheben. In diesem Fall besteht der urheberrechtliche Schutz bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.
Allerdings wird urheberrechtlicher Schutz immer nur in gewissen Grenzen gewährt. Auch das urheberrechtliche Änderungsverbot, auf das die Klage gestützt wird, gilt nur soweit, als Veränderungen des Werkes geeignet sind, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Werkschöpfers zu gefährden. Genau diese Frage wird das Gericht zu beantworten haben.
Führt die Klage jetzt zu einem Planungs- und gegebenenfalls auch zum späteren Baustopp?
Die Klageerhebung allein zwingt den Gebäudeeigentümer nicht zu einem Baustopp. Damit aber die angegriffene Handlung so schnell wie möglich unterbunden wird und bis zu einem rechtskräftigen Urteil keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, kann ein Baustopp durch einen Antrag auf einstweilige Verfügung erreicht werden. Ich gehe davon aus, dass die Klägerseite einen solchen Antrag gestellt hat. In einem solchen Verfahren wird nur vorläufig entschieden, während die endgültige Entscheidung dem Hauptverfahren vorbehalten bleibt.
Wie ist das Verhältnis von individuellem Urheberrecht und öffentlichem Interesse gewichtet?
Auf das öffentliche Interesse oder dasjenige des Orchesters kommt es im urheberrechtlichen Abwägungsprozess nicht an. Entscheidend sind nur die Interessen des Urhebers auf der einen Seite und die Interessen des Gebäudeeigentümers auf der anderen Seite. Keiner der beiden Interessenslagen kann von vornherein als gewichtiger angesehen werden.
Wie werden die Kosten eines solchen Verfahrens berechnet, abhängig vom Wert des Gebäudes, vom Volumen des geplanten Umbaus?
Entscheidend für die Berechnung der Kosten ist der Streitwert, der aber nicht von vornherein gesetzlich festgelegt ist, sondern vom Gericht im freien Ermessen und in Abhängigkeit von den Interessen des Klägers zu bestimmen ist.