Schätze werden fast immer nur durch Zufall gehoben. Auch bei dem Dokumentarfilm „Ein winziges Stück Semperoper ist dir anvertraut …“, der am Sonntag im Filmtheater Schauburg als Uraufführung gezeigt wurde, hatte der Zufall von Anfang an seine Hand mit im Spiel. Die beiden Regisseurinnen Danuta Derbich und Ines Janosch gerieten vor mehr als drei Jahren in einen Vortrag der Dresdner Malerin Aini Teufel, in dem diese sich an ihre Erlebnisse beim Wiederaufbau der Semperoper erinnerte. Als sie den ersten Pinselstrich zum riesigen Deckengemälde setzte, sei ihr dieser Satz durch den Kopf gegangen: „Ein winziges Stück Semperoper ist dir anvertraut …“
Von ähnlicher Ehrfurcht geprägt ist auch der einstündige Film, zu dem Derbich und Janosch von Teufels Schilderungen umgehend angeregt wurden. Behutsam und mit dem nötigen Sinn für das Gesamtkunstwerk sind darin Erinnerungen und Gegenwart ineinander montiert, kommen Zeitzeugen zu Wort und sprechen Bilder für sich. Es ist den beiden Filmerinnen gelungen, eine ehemalige Betriebsfilmgruppe in Pirna ausfindig zu machen, die den Wiederaufbau sieben Jahre lang mit der Kamera begleitet hat. Deren Material, heute zu Recht als „echter Schatz der Dokumentarfilmkunst“ bezeichnet, bietet die einzigartige Gelegenheit, damalige Arbeitsweisen und die einzelnen Bauzustände des Theaters nachzuvollziehen. Da wird Aini Teufel über die Schultern geschaut, was im konkreten Fall nur aus der Rückenlage des Kameramannes möglich war, denn gemalt wurde ja mit zurückgeneigtem Kopf an der Decke. Im Film erinnert sie sich an die damalige Kälte und an wärmende Ideen, um wenigstens die kostbaren Farben flüssig zu halten.
Einfallsreichtum war auch beim Modellieren der „Marmorsäulen“ im Opernvestibül gefragt. Denn die Tricks der ersten Erbauer zu Sempers Zeiten waren längst aus der Mode gekommen, zu Unrecht natürlich. Manchmal half nur der Zufall, um den Gipsmassen täuschend echten Glanz zu verleihen. Die Filmleute der 70er und 80er Jahre kommen zu Wort und ins Bild, ihr Werk ist Zeugnis eines Tuns, zu dem wohl nur von ihrer Sache besessene Amateure in der Lage sind.
Mit Wolfgang Hänsch ist der damalige Chefarchitekt des Aufbaus ein kundiger Gesprächspartner, die lange Jahre für Hausführungen zuständige Ilge Mirring weiß um Details und Anekdoten, Klaus Ferner, der Wiedererbauer der berühmten 5-Minuten-Uhr – eine Besonderheit dieses Hauses – besticht mit Hinterwitz und Gesangstalent. Sogar ein Geheimnis wird in diesem Dokumentarfilm gelüftet! Es gibt da nämlich eine Flasche Sekt im Opernhaus, die seit 25 Jahren niemand mehr gesehen hat. Wer dieses Rätsel lösen will, muss sich glücklicherweise nicht auf den Zufall verlassen, sondern hat ab sofort Gelegenheit, diese DVD zu erwerben.
„Ein winziges Stück Semperoper ist dir anvertraut …“
Ein Film von Danuta Derbach und Ines Janosch
Produzent Hans Rombach, Seven-Years-Film GmbH
Eine Textfassung des Artikels ist am 14. Dezember in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.