„Ich höre nichts, ich sehe nichts, aber ich bin.“ Clara Wieck gilt zunächst als zurückgebliebenes Kind. Das verrät das musikalische Psychogramm „Die Pianistin – ein Nachspiel“. Aufgeführt von Schauspielerin Katrin Schinköth-Haase und Pianistin Maria-Clara Thiele im Coselpalais – an historischem Ort. Und eine Begegnung mit Clara Schumann aus ungewohntem Blickwinkel.
Katrin Schinköth-Haase (links, hier als Greisin) und Maria-Clara Thiele zeigen in „Die Pianistin – ein Nachspiel“ verschiedene Facetten Clara Schumanns.
Foto: Christine Starke
„Üben, immer üben…“ Man fühlt sich als Zuschauer fast mit unter Druck gesetzt vom strengen und ehrgeizigen Friedrich Wieck. Seine Tochter Clara Wieck sieht er als sein Lebenswerk. Er unterrichtet sie nach seiner Methode im Klavierspiel. Will aus ihr eine Wunderpianistin werden lassen. „Kein gewöhnliches Wunderkind, wie sie zuhauf auf dem Kunstmarkt vorkommen.“ Nein, er lässt sie nicht nur üben, er erlaubt ihr sogar körperliche Ertüchtigung. Immerhin. Einblicke wie diese geben Schauspielerin Katrin Schinköth-Haase, von der auch Buch und Idee stammen, und Pianistin Maria-Clara Thiele, die die musikalische Umsetzung verantwortet, im verbalen Schlagabtausch. Beide sind Clara Schumann, zeichnen unterschiedliche Facetten der weltbekannten Klaviervirtuosin. Darauf muss man sich einlassen. Zerrissenheit ist für Außenstehende immer anstrengend. Aber auch spannend.
Die Darstellerinnen halten den Spannungsbogen. In Liedern von Clara und Robert Schumann, Franz Schubert und Johannes Brahms sowie Briefauszügen lassen sie Clara Schumanns Leben Revue passieren. Ehrgeizig („Ich will besser sein, als er – der Vater – es erwartet“). Schwärmerisch und mit leuchtenden Augen, als sie die geliebte Märchenstunde mit Robert Schumann erwartet. Entsetzt, als ihr Schwarm sich mit der älteren und fraulicheren Ernestine verlobt. Trotzig: „Aber ich spiele doch viel besser“. Tanzend, als er die Verlobung löst und frei ist.
Clara ist Roberts Lotusblume. So nennt er sie. Sie kämpft für ihre Liebe. Jahrelang. Das ist bekannt.
„Der Eigensinn verzerrt ihr das Gesicht“, konstatiert Vater Friedrich Wieck. Das mag man sich nicht vorstellen. Muss man auch nicht, man sieht es. Denn Clara ist auch stolz. Sie braucht ein sorgenfreies Leben und ihre Kunst. Sie triumphiert, als sie allein, ohne den fanatischen Vater, auf Konzerttournee geht.
Sie bleibt eine Lotusblume. Konsequent. Sie wirft das Ehefrauenhäubchen auf den Boden. Da ist Ehemann Robert Schumann schon lange hospitalisiert und Clara allein verantwortlich für die Ernährung der Familie. „Er ist gut aufgehoben“, tröstet sie sich. Nicht der einzige Moment, in dem spürbar wird, dass der Spagat zwischen Küche, Kindern und Klavier schon vor 200 Jahren revolutionär und kaum zu bewältigen war. Noch klarer wird das, als Clara Schumann als Greisin auf ihr Leben zurückblickt. Ein stiller, eindrücklicher Moment. Der wie der gesamte Theaterabend mit wenig, aber wirkungsvoll eingesetzten, Requisiten auskommt (Kostüm- und Bühnenbild: Ulrike Wichmann). Und mit dem Schlusswort endet: „Ich war eine brillante Pianistin.“
Minutenlanger Beifall im ausverkauften Coselpalais, wo Clara Schumann einst tatsächlich spielte. Das Publikum entlässt die Protagonistinnen erst nach einer Zugabe. „Die Lotusblume“. Musik: Robert Schumann. Text: Heinrich Heine. Natürlich.
Wieder zu erleben am 23. Januar 2011, 17 Uhr, und am 18. März 2011, 19.30 Uhr, im Festsaal im Coselpalais des Dresdner Pianosalons.