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„Carmen“ mit drei Debüts in Hauptpartien und neuem Dirigenten

Die Premiere des Dauerbrenners „Carmen“ von Georges Bizet vor fast genau sechs Jahren war kein Glanzpunkt der Dresdner Operngeschichte. Jetzt, in der 41. Vorstellung, wirkt die Inszenierung von Konstanze Lauterbach noch flauer. Die Mitglieder des Chores folgen den choreografischen Anweisungen eher nachlässig, denn sie sind schwer nachvollziehbar, und so wuselt das szenische Geschehen immer wieder ins spannungslose Ungefähre.

Weder ungefähr noch ohne Spannung geht es dafür im musikalischen Bereich des am Ende stürmisch gefeierten Abends zu. Fast fällt es ein wenig schwer, damit umzugehen, dass dem so temperamentvollen ersten Vorspiel etliche Passagen folgen werden, die zwischen den Hits und Ohrwürmern immer wieder in die kammermusikalische Konzentration dieses tragischen Werkes aus dem Geist der Opéra-Comique führen. Das aber, vor allem wie es der italienische Dirigent Carlo Montanaro bei seinem Dresdner Debüt akzentuiert, macht den Reiz dieses Abends aus. Montanaro zieht das Tempo an und lässt sich dann wieder alle Zeit der Welt, die Damen und Herren der Staatskapelle folgen furios, elegant oder beinahe schmerzverliebt in den Varianten des Todesmotives.

Die Staatsoper bietet an diesem Abend ein in musikalischer Hinsicht spitzenmäßiges Ensemble mit Vanessa Goikoetxea und Angela Liebold als Frasquita und Mercedes, Timothy Oliver und Tom Martinsen als Remendado und Dancairo sowie Sangmin Lee als Morales und Jeremy Bowes in der Partie des Zuniga. Patrick O´Beirne wirkt in der spielmeisterlich aufgewerteten Rolle des Lillas Pastia noch etwas verspannt. Dazu kommen Gäste in den Hauptpartien, die sie hier zu ersten Mal singen. Für den erkrankten Tenor Giorgio Berrugi als Don José ist Zoltán Nyári aus Ungarn eingesprungen, kürzlich stand er als Prinz in der neuen „Rusalka“ zu ersten Mal auf der Dresdner Bühne. Jetzt ein höchst erfreuliches Wiedersehen und Wiederhören. Nyári überzeugt kraft seiner mitreißenden Wahrhaftigkeit aus Klang und authentischer Erscheinung. Dafür wird er am Ende gefeiert. Jubel, Bravi, Freudenpfiffe auch für Ute Selbig und Ihre Leistung als Micaela. Mit ihrem silbern leuchtenden Gesang, besonders in den so zarten wie zerbrechlichen Passagen im hauchfeinen, stets klingenden, Piano, führt die Dresdner Sängerin das Publikum immer wieder in die Momente kostbarer Stille.

Foto: PR

Nancy Fabiola Herrera, die Mezzosopranistin von den kanarischen Inseln, bleibt bei ihrer szenischen Gestaltung der Titelpartie oft eindimensional, mitunter arg dem Klischee erlegen, und lässt es bei bewundernswerter Vehemenz im Gesang doch an Raffinesse und zarten Zwischentönen fehlen. Ebenfalls erstmals in Dresden Ryan McKinny, der Weg hat den jungen Bassbariton von Huoston über Los Angeles, Berlin und Leipzig hierher geführt. Den Stierkämpfer Escamillo gibt er in ungewöhnlicher Weichzeichnung als jungen Sieger auf verlorenem Posten.

Am Ende dann ein Opernabend mitten in der Woche und doch wie ein Feiertag. Für ein paar Stunden ist der Alltag durchbrochen. Hoffnung auf ein gutes Opernjahr in Dresden.

 

Eine Textfassung des Artikels ist am 7. Januar in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

 

Weitere Aufführungen: 20., 22., 24., 28. Januar