Nach knapp zwei Jahren war er wieder zu Gast bei der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast – der Hexenmeister am Schlagzeug namens Martin Grubinger, der in aller Welt staunendes Publikum hinterläßt und doch einfach nur macht, was ihm Spaß macht: Schlagzeug spielen. Aber dies eben auf einem Niveau, dass die Komponisten mittlerweile Bestkenntnisse in höherer Arithmetik aufweisen sollten, um dem Herrn einigermaßen Herausforderungen zu bieten.
Was da möglich ist, zeigte Grubinger in seiner bescheiden "…und nun zum Sport" angekündigten selbstkomponierten Zugabe. Die kannten die Dresdner zwar schon von seinem letzten Gastspiel, aber die Wiederholung war notwendig, damit nun die erneute Bestätigung hatte: es war real, dieses aberwitzige Tempo und diese Präzision, mit der Grubinger seinem Stick sogar einen Weg auf dem Arm bis zur Schulter anweist – wahrlich ein Hexenmeister.
Als solcher ("Conjurer") wird er auch im 2007 entstandenen Schlagzeugkonzert des Amerikaners John Corigliano (geb. 1938) betitelt, das im 5. Zykluskonzert seine deutsche Erstaufführung erlebte und von Grubinger erstmals gespielt wurde. Corigliano trennt die Klangwelten Holz, Metall und Fell und entwickelt relativ geschlossene und zumeist konventionelle Formen. Das der Percussion zugeordnete Streichorchester versagt allerdings dann aus akustischen Gründen schon seinen Sinn, wenn Grubinger aufdreht; hier ist (mal wieder) ein anderer Konzertsaal vonnöten, um diese Überblendungen hörbar zu machen. Andererseits stellte sich der Sinn des Begleitapparates ohnehin nicht ganz ein, denn außer flachen Dialogstrukturen wurde keine tiefer wirkende Ebene erreicht. Ohnehin dominierte der Solist völlig – im 1. Satz waren die Marimbabeschwörungen durchaus noch spannend, doch zu langatmig rollte der 2. Satz in süßlicher Idylle dahin. Grubingers sensible und kraftvolle Klasse machte diese Schwächen der Komposition wett – schließlich wartete im Finale ein abzubrennendes Feuerwerk auf Pauken und Trommeln – Grubinger empfing großen Jubel für diese Demonstration von Rhythmus und Klangsinn.
Der finnische Gastdirigent Hannu Lintu war bereits hier als verläßlicher Partner des Solisten aufgetreten. In der 1. Sinfonie e-Moll von Jean Sibelius erreichte er nach der Pause mit den Philharmonikern eine höchst bemerkenswerte Leistung. Für einen sinfonischen Erstling im Dunstkreis zwischen Brahms und Strauss ist dieses Werk nämlich nur dem Anschein nach am damaligen Geschmack orientiert: zahllose Abbrüche, eine erweiterte, überraschende Harmonik und die formalen Weiten dieses Werkes wollen entdeckt und herausgekitzelt werden. Lintu gelang dies mit dem Orchester hervorragend, wenngleich manchmal der gute Wille noch einen vielleicht freieren, extremeren Ausdruck verhinderte. So aber freute man sich über einen höchst homogenen, ausgeformten Bläserklang, rassiges Fundament in den Streichern und viele ausgehörte Details. Kein Werk zum Glänzen, aber eines, das intensiven Zugang von Hörern und Interpreten verlangt und dann zeitlose Schönheit offenbart.
Eine Druckfassung des Textes ist am 17. Januar in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.