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„Weg mit dem Begriff modern!“ – Harry Kupfer im Gespräch

Handwerk – der hehre Begriff prangte über dem Dresdner Gesprächsabend mit Harry Kupfer. Die Dresden International University hatte den Altregisseur eingeladen, über seine Kunstauffassung, sein Leben zwischen Dresden und Bayreuth zu plaudern. Nach vergangenen Inszenierungen befragt, winkte Kupfer gleich zu Anfang ab: "Ich vergesse glücklicherweise alles…" Und wusste, von DVD-Einspielungen erwärmt, dann doch noch so manche Einzelheit dem kleinen Publikum am Falkenbrunnen preiszugeben.

"Diese Regisseure heute, die gucken doch nur, hat Lohengrin schon mal in der Badewanne gespielt, und wenn nicht, dann machen sie es…" (Foto: DIU)

Nun ist es ja selten ersprießlich, einen Künstler zu fragen, ‚was er sich dabei gedacht hat‘ – zumal Kupfers Stichwortgeberin Ilsedore Reinsberg kitzlige Themen aussparte. Stattdessen erkundigte sie sich neben reichlich Kritikerschelte freundlich nach Felsenstein, nach der Arbeit mit Diven und Möchtegerns, und eben: nach dem Handwerk. "Notentext und Libretto ernst nehmen," fiel Kupfer ein, und: "wie mache ich mich ohne Programmheft beim Publikum verständlich?" Ein Jahr brauche er, um die Dinge auf dem Papier auszurechnen, Figuren einander begegnen zu lassen, bevor szenische Proben überhaupt beginnen könnten. Seine Dresdner Fidelio-Inszenierung – "mein erster großer Skandal!" – diente als Beispiel, wie man am besten einen Chor auftreten lässt, während das Orchester pianissimo spielt: nämlich gar nicht.

So wurde von seiner Dresdner Zeit in den siebziger Jahren der Bogen in die Gegenwart (in der Kupfer übrigens auch Musicals mit Genuss inszeniert), zuletzt in die Zukunft geschlagen. Hier verdüsterte sich des Meisters Miene. Tür und Tor seien heute geöffnet für den Dilettantismus; junge Regisseure erschienen mit dem Reclam-Textheftchen auf der Bühne und strichen die musikalisch wichtigsten Passagen munter zusammen. "Modern" sei ihr Schlachtruf, und der Begriff überhaupt ein schlechter. Reinsberg fragte nach: was uns das realistische Musiktheater heute, morgen noch zu sagen habe? Der Regisseur wehrt sich gegen das Adjektiv, mildert ab: Vorgänge haben auf der Bühne glaubhaft zu sein. Und das sei sicher auch morgen noch so. Die Rückmeldungen des Publikums ließ Kupfer als Wertmaßstab einer Inszenierung gelten; vor Rezensionen schirmt ihn seine Familie nach wie vor hermetisch ab. Vorgelegt werden ihm nur witzige Sentenzen, und diffamierendes: darum kümmere sich dann die Rechtsabteilung.

Bedenklich schüchtern blieben bei alldem die Studenten des Studiengangs "Kultur + Management". Allenfalls die Frage nach einem "persönlichen SuperGAU" wurde dem Regisseur gestellt, die der auch prompt zu beantworten verweigerte. So viel wäre doch hier zu fragen gewesen: ob einer wie Wim Wenders, der vermutlich keinen Klavierauszug flüssig lesen kann, nicht doch auch etwas neues über den "Ring" erzählen kann. Wie Verfremdung, der Ringkampf mit dem Stoff, das trotzige Arbeiten gegen ihn, doch auch produktive Arbeitsansätze sein können, mitunter das Weglassen und Verdichten eines Themas deutlicher wirken als die größte Chorszene. Und wie überhaupt die Vielfalt der Regie-Versuche manchmal erst eigene, ganz neue Deutungen auf ein Werk zulässt. Neben Harry Kupfer einen jungen, streitbaren, klugen Bilderstürmer der Regisseurszunft gesetzt; der Abend wäre produktiver und vielleicht noch richtig interessant geworden. So bliebs ein demütiger Denkmalsputz, eine wehmütige Erinnerung an den "Kunststaat DDR": "Nirgendwo im westlichen Ausland hatte ich die Arbeitsbedingungen, die ich in Dresden hatte", ließ der Regisseur zwischendurch wissen. Da war sie wieder, die süße Krankheit Gestern.

Eine Textfassung des Artikels ist am 12. Februar in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

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