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Lauter laute Lieder – Evelyn Herlitzius in der Semperoper

Da bekommt man was fürs Geld. Mit Vehemenz und voller Phonstärke rast die Sängerin Evelyn Herlitzius durch das Programm ihres ersten Liederabends. Das kurzfristig reduzierte und umgestellte Programm widmet sich in einer ausgesprochen interessanten Zusammenstellung dem Spannungsbogen unserer Existenz zwischen Leben und Tod.

Volle Kraft voraus… (Foto: PR)

Zunächst „Lieder und Tänze des Todes“, vier groß dimensionierte Stücke von Modest P. Mussorgski, die ohnehin den Rahmen dessen, was allgemein als „Kunstlied“ in der deutschen romantischen Tradition verstanden wird, sprengen. Dazu kommen die phonetische und gestische Sprengkraft der Evelyn Herlitzius, die diesen Balladen vom individuellen Sterben und vom kriegerischen Morden grelle Expressivität verleihen. Manchmal freilich scheint es der ungebremsten Emotion am Maß zu fehlen. Tönendes Pathos im Verein mit Stummfilmgesten ergibt unfreiwillige Komik.

Dann ein harter Schnitt. Sechs Lieder von Johannes Brahms. Wir bleiben beim Thema. Heinrich Heines Traumlyrik „Der Tod, das ist die kühle Nacht“ zu Beginn, „Von ewiger Liebe“ zum Abschluss der Auswahl von sechs Liedern. Aber die Sängerin ist noch zu stark in der großen Geste verhaftet. Die opernhafte Dramatik will sich nur bedingt zum Stil der Lieder fügen.

Für etliche Gäste war´s zu viel, oder einfach zu laut, sie nutzen die Pause und gehen. Die Ränge waren ohnehin geschlossen, im Parkett viele Plätze leer. Soll nicht bedeuten Dresden habe kein Publikum für diese Kunst, nur eben keinen angemessenen Raum. An der Oper zieht man Konsequenzen. In der neuen Saison wird keinem Sänger mehr der leere Saal zugemutet. Nicht mal die zwischenzeitliche Behauptung, hier würden lediglich Weltstars singen, konnte da helfen. Liederabende plant man künftig auf der Probebühne, semper 2.

Nach der Pause jetzt aber zunächst drei Lieder von Alma Mahler, die stimmliche Zurückhaltung kommt diesen weniger bekannten Stücken sehr zugute, bevor sich ganz angemessen wieder eine expressive Steigerung bei der Interpretation der vier Gesänge von Alban Berg einstellte. Hierzulande unbekannt, in seiner österreichischen Heimat beinahe vergessen, der Komponist Joseph Marx, der von 1882 bis 1964 lebte. Die Auswahl der drei Lieder, die jeweils rauschhafte Zustände beschreiben, fügt sich bestens in diesen Liebes- und Lebensbogen, der mit drei Liedern von Richard Strauss zu Ende geht. Die Interpretation durch Evelyn Herlitzius ist ungewöhnlich in der Konsequenz der Aufbietung ihres stimmlichen Volumens. Sie betont die opernhaften Züge der Kompositionen.

Man hätte sich hier die Orchesterfassungen gewünscht, und dennoch mehr lyrische Feinheiten und weniger hochdramatischen, deklamatorischen Wirbel. Mit dem Pianisten Johannes Wulff-Woesten hat Evelyn Herlitzius einen so zuverlässigen wie geschickten Begleiter, und mehr noch, einen Partner. Aber mitunter wird er regelrecht kalt gestellt, einfach übertönt.

Für die kommende Saison ist Evelyn Herlitzius wieder als Opernsängerin in Dresden angekündigt. Freuen wir uns also auf diese außergewöhnliche und streitbare Künstlerin als Salome in der gleichnamigen Oper von Richard Strauss und als Leonore in Beethovens „Fidelio“.

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