Großherzogin kann niemand studieren. Großherzogin geht nur durch Geburt oder durch Adoption. Oder? Die Sängerin Elke Kottmair zeigt, dass es auch anders geht. Sie hat in Würzburg studiert und ist nach Dresden gegangen. Hier wird sie nun: „Die Großherzogin von Gerolstein“, Titelheldin einer Operettenpartie.
Das selten gespielte Stück von Jacques Offenbach hatte gestern Premiere in Leuben. Dort ist Elke Kottmair seit 2004 engagiert. Sie erinnert sich, auch wenn inzwischen zahlreiche Operetten-, Opern- und Musicalpartien mit ihrem Namen und ihrer Stimme fest verbunden sind, an den ersten Weg zu diesem Theater. Es war ein Vorsingen und der Weg von Bahnhof mochte kein Ende nehmen. Ein Vorstadttheater? Höchste Zeit, dass die Operette endlich ins Zentrum kommt, meint die Künstlerin.
Die in Augsburg geborene Sängerin, die ursprünglich Violine erlernte, fand rasch zu ihren Profil. Es ist vor allem von Vielfalt geprägt, ohne beliebig zu sein. Mit Erster Dame der „Zauberflöte“, Micaela und Mercedes in „Carmen“, Manja in „Gräfin Mariza“, Gitta in „Pardon My English“ und dem Titelgirl „Hello, Dolly!“ sind einige bestens bekannte Partien in ihrem Repertoire. Daneben gestaltet sie freilich auch solche Exoten wie die nun bevorstehende Großherzogin. „Beim Einstudieren macht das aber kaum einen Unterschied,“ erläutert sie. „Ich suche bei jeder Figur nach einem eigenen Weg, um sie mit meiner Interpretation zu neuem Leben zu erwecken.“ Dennoch habe sie bei der Arbeit an der jüngsten Offenbach-Ausgrabung – im Gegensatz zu „Orpheus in der Unterwelt“, „Pariser Leben“ und „Hoffmanns Erzählungen“ steht die „Großherzogin von Gerolstein“ heute nur selten im Spielplan – eine ganz besondere Freude. Sie schwärmt von der „tollen Musik, den tollen Ensembles dieser Opernparodie“. Das Stück habe nichts von seiner Aktualität eingebüßt, müsse daher auch nicht künstlich ins Heute versetzt werden. Für die Titelheldin sei gerade die wohl zeitlos bleibende Charakterstudie einer Femme fatale interessant, die – in diesem Fall operettenhaft überzogen – „aus Langeweile ihre Soldaten vernascht.“
Bei allem Spaß bleibt auch so eine Partie stets herausfordernd, denn die launenhafte Dame hält zwar die Zügel in der Hand und gibt alleweil den Ton an – bis sie sich das erste Mal richtig verliebt. Elke Kottmair findet das spannend: „Eine unglaubliche Rolle! Diese Frau hat Brüche, ist stark und kann schwach sein, es macht richtig Freude, sie mit Herz auf die Bühne zu bringen.“
Für die Inszenierung von Michiel Dijekma wird es eine Art Doppelherz sein, denn die blaublütige Gerolsteinerin ist mit Semperopern-Mitglied Sabine Brohm alternierend besetzt. Ihre Kollegin von der Staatsoperette weiß, dass beide Sängerinnen eigene Stile und Ausdrucksmittel besitzen. Es lohne sich daher, so meint sie, mindestens zweimal in dieses Stück zu gehen, um auch beide Besetzungen zu erleben. Und noch vor der Premiere teilt sich die Begeisterung für den niederländischen Regisseur mit, der bereits Offenbachs „La Périchole“ in Leuben erarbeitet hat. Das Publikum dürfe sich durchaus auf dessen prägnante Stilistik freuen, die er auch in dieser Arbeit einsetzen werde. Ein Gewinn für das Werk sei zudem, dass man sich auf einen Mix aus Pariser Urfassung und Wiener Version verständigt habe. Da käme sowohl der Schmelz des Mezzo als auch die Kunst der Koloratur zum Tragen, verrät Elke Kottmair.
Dass sie über eine breite künstlerische Vielfalt verfügen kann, sieht sie als großes Glück, was vor allem dem Studium in Würzburg zu verdanken sei. „Neben der Gesangsausbildung gab es da einen kubanischen Flamenco-Lehrer, der uns im Tanz unterwies. Ich bin heute noch froh, damit punkten zu können.“ Diese körperliche Beweglichkeit korrespondiert mit einer beweglichen Stimme, sonst stünden Musicals wohl kaum neben Operette und Oper nahezu gleichberechtigt im Kottmairs Spektrum. Doch sie überrascht noch mit weiteren Vorlieben. Bereits aus der gemeinsamen Studienzeit mit Diana Damrau resultiert eine starke Liebe zum Lied, „ein wunderbares Ausdrucksmittel!“, vor allem zu Mozart und Strauss. Obendrein hat sie eine kabarettistische Ader, nur viel zu wenig Zeit, um die auch zu pflegen. Aber von einer Kreuzfahrt im Herbst ist die Rede, dort ist sie mit Kleinkunst präsent.
Bis dahin aber genießt Elke Kottmair, was sie in Dresden hat: „Das Faszinierende hier am Haus ist die Breite des Angebots. Gut fürs Publikum und gut auch für uns auf der Bühne.“ Hier könne man zeigen, was man kann. Hinzu kommt, dass die meisten Produktionen über längere Zeit im Spielplan verbleiben.
Frustrierend seien lediglich die Probenbedingungen. Wie viele andere Ensemblemitglieder hofft auch Elke Kottmair auf eine rasche Lösung für das Operettentheater. „Wer da was zu entscheiden hat, sollte mal eine Probe in der ehemaligen Turnhalle von Prohlis besuchen! Mal regnet es rein, mal wird eingebrochen, das ist eine einzige Katastrophe.“
Das ist tatsächlich nicht standesgemäß für eine adlige Dame.
„Die Großherzogin von Gerolstein“, nächste Vorstellungen: 9., 10., 12., 26.4.
Eine Textfassung des Artikels ist am 8. April in den Dresdner Neuesten Nachrichten erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.