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Freiberger »Rusalka«: Tümpelwasser aus Champagnerflaschen

Pubertätswirren einer jungen Nixe: da sollte sich doch eigentlich was draus machen lassen. Wer die jüngste Premiere in Freiberg besucht hat, erfährt: das Haus hat in dieser Spielzeit schon eine Reihe Trümpfe geschickt ausgespielt, diesen jedoch gibt sie aus der Hand. Die Regisseurin Judica Semler macht aus "Rusalka" ein kreuzbraves Stück von den Enttäuschungen beim Erwachsenwerden. Herzklopfen? Witz? Erotik? Alles Fehlanzeige. Am Mittelsächsischen Theater ist die Nixe ein scheues Ding aus gutem Hause, das sich einen jungen Mann, der zu Beginn durch ihr Fenster lugt, zum schwiegermuttertauglichen Prinzen stilisiert: mit Epauletten, Papp-Goldkrone und schmuckem Oberlippenbart. ‚Emos‘ nennt man heute die Mädchen, die sich selbst wohlig der Liebesqual ergeben und unterm Delfinposter im Sonnenuntergang die Hausaufgabenzeit verträumen. So ist Rusalka: Vom alleinerziehenden Vater misstrauisch beäugt, spielt sie ihre Gefühle mit Stoffpuppen durch. Und legt am Ende selbst die wasserstoffblonde Perücke ab, um sich fortan als Büromäuschen durchs Leben zu langweilen.

Tümpelwasser schwappte aus dem Graben, aber auch auf der Bühne selten Spritziges (Foto: blindguard | photocase.de)

Weder die Regisseurin noch der Ausstatter Tilo Staudte vertrauen der vielsagenden Musik und müssen deshalb alles doppelt erzählen. So bekommt Sergio Raonic Lukovic nicht nur ein wassermännisches Regencape, sondern auch noch eine pausbäckige Maske. Die scheint ihm auch die Ohren zu verschließen; denn obwohl die Mittelsächsische Philharmonie unter Jan Roelof Wolthuis an diesem Abend nie leiser als forte spielt, singt Lukovic seine Rolle minutenlang einen Viertelton tiefer als notiert. Lilia Milek lebt ihren Vaterkomplex daneben mit stahlharter Sopranistinnenwucht aus; zu ihrer Rolle als verzogenes Sensibelchen passt das nicht. Ihr zu heiß onduliertes Prinzenpüppchen, gesungen, nein: angestrengt gepresst! von Emilio Ruggerio, steckt seine Nase lieber in den Ausschnitt der Fremden Fürstin (Stefanie Jonas) und macht so die arme Nixe leiden.

Da Ausdruck und Dramatik für die Regisseurin gleichbedeutend zu sein scheinen mit zeitlupenhaften Bewegungen, zieht sich der Abend schrecklich in die Länge. Aufpeppen können ihn weder Zsuzsanna Kakuk, die die hässliche Halbwelt-Hexe Jezibaba glutvoll singt, noch die unbekümmert zwitschernde Susanne Engelhardt als frecher Küchenjunge. Das Publikum hat die Gefühle, die in "Rusalka" verhandelt werden, sowieso mehr oder weniger glücklich hinter sich. Und klatscht erleichtert, als der bräsige Spuk vorbei ist.

Weitere Aufführungen: 19.,23.4.;8.,13.5.

Eine Textfassung des Artikels ist in der "Sächsischen Zeitung" erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.

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