Die Ziele der „Länderreisen“ im diesjährigen Frauenkirch-Spielplan scheinen ein klein wenig mit Willkür gewählt. Zu offensichtlich richten sie sich nach den Tourdaten der britischen, italienischen, finnischen und russischen Ensembles, die mit ihren Programmen in Dresden aufwarten. Doch der Zwischenstopp lohnt sich, wie am Samstag das Konzert der Russischen Kammerphilharmonie unter der musikalischen Leitung von Juri Gilbo mit dem phänomenalen Cellisten Mischa Maisky bewies.
Eingangs waberte das Streichorchester bei Anton Arenskys Tschaikowski-Variationen noch ein wenig wie aus Wattenebel und Wolkenglast in den Raum. Doch sobald sich der 1948 in der lettischen Hauptstadt Riga geborene Meistercellist Mischa Maisky mit seinem Instrument in den Raum singt, ja nahezu sägt, scheinen Begriffe wie Akustik und Nachhall hinweggefegt. Nicht, dass die Akustik plötzlich gut wäre und der Nachhall gestrichen – aber Maisky weiß damit so umzugehen, dass beides kaum mehr stört. Und schon fallen die hustenden und fotografierenden Menschen in den bei weitem nicht ausverkauften Reihen viel mehr ins Gewicht. Der Meister sang sich durchs Schiff dieser weltberühmten Touristenkirche und wirkte dabei so unangestrengt wie andächtig. Bei Max Bruch funktionierte das noch ziemlich perfekt, im Haydn-Konzert überwog mehrfach das Echo. Vor allem bei Pizzicati-Passagen der tiefen Streicherfraktion wirbelten, wo es mal schnell wurde, die Töne von eben, von vorhin, von jetzt und auch die von gleich gerne mal strudelig durcheinander. Maisky focht das nicht an, er sang sich mit sauberem Ton durch seine Partie und handhabte meisterhaft den brillant abgemischten Strauß aller Klangfarben vom leisesten Ton bis hin zum kräftigsten Bogenhieb.
Die so gesägten Funken sprangen selbstredend aufs Publikum über, schon der Kostümwechsel von schwarz bei Bruch zu blau bei Haydn errang Sympathiewerte, die mit klargestellt hatten, dass diese Ausnahmegestalt des globalen Konzertbetriebs nicht ohne Zugabe aus dem Kirchenschiff abtreten durfte.
Eine Länderreise mit Russland als Ziel konnte freilich auf Peter Tschaikowski nicht verzichten. Für die Petersburger Kammerphilharmonie war die Streicherserenade op. 48 quasi gefundenes Fressen, um sich beim Frauenkirch-Publikum beliebt zu machen. Das gelang auf Anhieb, trotz mancherlei baubedingter Mulm-Abschnitte, Juri Gilbo hatte recht klug die Tempi gesetzt und ließ seine Mitstreiter flott in den Nachhall einspielen, um eben dem zu begegnen. Das Resultat war weniger schwermutsvoll russisch denn abgebrüht weltläufig.