Dass die musikalischen Gratulationen zu Heinrich Schiffs sechzigstem Geburtstag eine gute Stunde länger dauerte als vorgesehen – geschenkt. Denn die Gratulanten im Palais im Großen Garten wussten schon, wie sie das Publikum, das an diesem Abend – wen wundert’s – vor allem aus Cellisten bestand, bis zur letzten Minute begeistern würden: mit einem sprühenden Wettstreit des Altmeisters mit zweien seiner Schüler. Jan Vogler der eine, der von Schiff noch zu DDR-Zeiten eingeladen worden war, bei ihm in Basel zu studieren. Christian Poltéra der andere, 1977 in Zürich geboren und heute als Solist und als Cellist eines Streichtrios mit Frank Peter Zimmermann und Antoine Tamestit ebenfalls weltweit unterwegs.
Poltéra und Schiff teilten sich die erste Halbzeit; vier Cellokonzerte von Antonio Vivaldi standen auf dem Programm. Vier von achtundzwanzig, die der Komponist dem Instrument widmete, deren Themen jedoch heute kaum ein Konzertbesucher summen kann. Ob die Geringschätzung einzelner Werke auch in der riesengroßen Gesamtanzahl an Solokonzerten – über fünfhundert sind es, die meisten davon für Violine oder Fagott – begründet liegt? Ebenso möglich ist die wenig attraktive Kombination von relativ bescheidener Klangwirkung für heutige Ohren einerseits und immensen technischen Herausforderungen andererseits. Lehrer wie Schüler war die Anspannung anzusehen, beide flitzten bisweilen perlende Läufe hektisch durch, verschluckten Verzierungen, schienen den pulsierenden Tempovorstellungen der Dresdner Kapellsolisten an einigen Stellen nur knapp folgen zu können.
Jan Vogler machte es sich mit seiner Gratulation einfacher: er schenkte, was ihm selbst am besten gefällt. Auf seiner mit den Kapellsolisten eingespielten CD "My Tunes" sind auch die beiden Tschaikowski-Piecen enthalten, die Vogler nach Sonnenuntergang stimmungsvoll präsentierte. Nach der von Schiff schwungvoll durchgewunkenen Streicherserenade op. 48 erschienen die drei Cellisten noch einmal gemeinsam auf der Bühne, und schwelgten in David Poppers "Requiem für drei Violoncelli" – natürlich mitnichten als Requiem gedacht, wie man betonte. Tja: bei manchen Besetzungswünschen geraten sogar Cellisten in die Bredouille.
Eine Textfassung des Artikels ist am 27. Mai in der Sächsischen Zeitung erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung, ihn hier erneut abdrucken zu dürfen.