Drei Frauen, drei starke Stücke, immer dann am stärksten, wenn sie ganz leise, zerbrechlich, völlig schutzlos und ausgeliefert dem Publikum jene seltenen Glücksmomente der Authentizität des Rätsels körperlicher Signale vermitteln.
So unterschiedlich die Arbeiten je für sich sein mögen, sie korrespondieren an diesem Abend miteinander, stärker und auch bewusster gesetzt zunächst in den Soli eigener Choreografien von Valentina Cabro und Teresa Hackel, dann auch weniger direkt in Jana Ressels Choreografie für Juliane Bauer.
„Somethings for nothing“ eröffnet den Abend. Valentina Cabro als Schmerzensfrau. Der Oberkörper gewaltsam bandagiert mit scharfkantigem Klebeband, dazu ein langer, bauschiger Rock aus weißem Plastematerial. Die Bewegungen sind verkantet, dazu leises Wimmern. Wegwerfmaterial mit Seele. Hier muss der Tanz minimal sein, hier ist jede Bewegung ein schmerzender Vorgang, hier wird der geneigte Kopf zum ikonografischen Zeichen. Stühle und ein Tisch, eine gesichtslose Gestalt dazu, der Gitarrist Sascha Henkel, mit harten Elektroschlägen, vor einer Projektion von Gery Hurst die das uralte Zeichen der Schrift an der Wand mit blutroten und nachtschwarzen Zeichen der Gegenwart konfrontiert. Wir harren mit der Tänzerin aus, wir halten die Stille mit ihr aus, die Bilder aber erzeugen lange noch in der Erinnerung Schmerz.
„Be quiet“ von Teresa Hackel folgt. Wieder eine Art stiller Selbstbefragung. Wieder, im Video, wird menschliche Haut verklebt, wir sehen wie die Tänzerin ihre Hände zu Krallen verformt. Dann aber, als erspüre sie, was hinter ihrer Stirne in einem Film abläuft, der die Kamera über den eigenen Körper gleiten lässt, ertasten die Hände jene besondere Zone der Intimität zwischen der eigenen Haut und dem was dieselbe umgibt. Da machen die tastenden und erforschenden Hände auch vor den Zähnen nicht halt und es ist, als brächte das Ertasten eine Unzahl von Erinnerungen und Bildern ins Spiel, die dem Auge zwar verborgen aber dennoch auf der Haut eines Menschen präsent sind. So gelingt Teresa Hackel ein konzentriertes Spiel mit den unsichtbaren Tagebuchnotizen auf der eigenen Haut, dabei spielt das Glück der Entzifferung ebenso seine Rolle wie die Vergeblichkeit der augenblicklichen Erkennbarkeit.
Prozesse der Selbstbefragung auch bei „Perform Perspective II – Nahthafte Verzweigung“ von Jana Ressel mit der Tänzerin Juliane Bauer und dem Cellisten Sascha Werchau. Das ist ein geschicktes Spiel mit dem Tanz um das eigene, mitunter von der Musik romantisch vergoldete Bild und den harten, elektronischen Brüchen, die auf Chopins Melodik seiner Sonate für Violoncello und Klavier folgen, zum Wahn aus ekstatischen Selbstumdrehungen bis zur Erschöpfung. Geschickte Projektionen machen zudem Bildfantasien möglich, die die Tänzerin im Spiel mit dem eigenen Bild sogar in die Räume hinter dem Empfinden eigener Wahrnehmung bzw. in die Unbestimmbarkeit jener Zwischenwelten führen, die sich zwischen Bild und Abbild eigener Sichtweisen und fremder Wahrnehmungen eröffnen. So wie Juliane Bauers Tanz den eigenen Körper in den Konflikt aus Anspruch und Möglichkeit führt, so setzt sich der fabelhafte Musiker im technisch raffiniert gesteuerten Dialog mit den Klanggegensätzen des eigenen Instruments auseinander.
Jana Ressels Choreografie ist dem Tanz in seinen Formen direkter Sprache bewegter körperlicher Entäußerung am stärksten verpflichtet. So vermag sie es mit diesen Varianten einer wie besessen wirkenden Abfolge von Fluchtversuchen vor den Tatsachen der Vergänglichkeit eine weitere Variante schutzloser Schmerzerfahrungen diesem insgesamt so spannenden wie sensiblen Abend hinzuzufügen.
Eine Textfassung des Artikels ist auf "tanznetz.de" erschienen.