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Alle in einer Nacht

Ein Fest der Lichter (Foto: www.dresdner-schloessernacht.de)

„Hello again“ schallt es aus dem Lingnerschloss. Anders als gewohnt in weiblicher Intonation. Kein Wunder. Hier sind „Vorsicht Weiber!“, Dresdens Partyrockband, am Start. Es ist kurz nach 19 Uhr, das Getümmel zwischen den Elbschlössern ist überschaubar. Trotz 6000 verkaufter Karten. Das Publikum schlendert, beschaulich zurückhaltend, bleibt stehen und – stutzt. „Wir beißen nicht, auch wenn wir diesen Namen tragen – tanzen Sie ruhig weiter“, ermuntert Frontfrau Angie. „Wo das hohe C liegt, bestimme ich“, verrät die Sängerin und Lehrerin für Deutsch und Musik auf der Band-Homepage. Hier und heute fragt danach – zumindest zu dieser Stunde – niemand. Zu verlockend die Vielzahl der musikalischen und kulinarischen Angebote. „Be my baby“ aus den 60ern. Ich ziehe erst mal weiter. Immerhin gibt es die Gewissheit, die meisten Künstler mehrmals in der Nacht zu erleben.

Am Schweizer Haus erwarten Neugierige die „Rebeatles“. Doch die sind noch beim Soundcheck. Also weiter. Auch am Schloss Eckberg noch verdächtige Ruhe auf den kleinen Bühnen. Überall stimmen sich Musiker auf ihren Auftritt ein. Die Schlössernacht-Gäste warten geduldig und verwöhnen sich derweil mit Gegrilltem und Gerstensaft. Doch dann hämmern die Gitarren den unverwechselbaren Sound in den Abend. Die Ginsheimer „Rebeatles“ lassen die legendären Liverpooler nicht nur akustisch auferstehen. Zwischen „Yesterday“ und „Help“ ulken sie über Rührei und andere Morgenrituale.

Am Areal rund um das Schweizer Haus ist derweil kein Durchkommen mehr. Es wird textsicher mitgesungen und getanzt. Die Dresdner und ihre Gäste sind warm gelaufen. Wer wenig verpassen will, zieht weiter. An der Südseite des Lingnerschlosses schrammeln die Herren der Dresdner „Top Dog Brass Band“ mit Posaunen, Tuba, Saxofonen, Trommeln und Megaphon „Make me happy“. Das schaffen sie in kurzer Zeit. Die für Funk, Rhythm and Blues und traditionellen Marching Beat zuständige Formation groovt sogleich den gleichnamigen Titelsong ihrer aktuellen CD. Der Rhythmus zuckt in den Beinen.

Ganz anders auf der Ostterrasse am Schloss Albrechtsberg. „Groß ist der Reichtum der Welt“, erinnert Holger Biege. Seine Fans feiern das hautnahe Revival seiner altbekannten Lieder, nur begleitet vom Piano. Derweil wehen fröhliche Balkan-Klänge aus der Saloppe herüber. Fußmüde pausieren auf dem erstmalig genutzten, rund 200 gefühlte Meter langen Genießerbalkon zwischen Lingnerschloss und Schloss Albrechtsberg. Hier wird verschnauft und bei Wein und Bier ins Elbtal geblickt. Angenehm ohne Hintergrundmusik.

Auf den illuminierten Wegen resümiert eine Dame mittleren Alters zu ihrem Gatten: „War alles toll bis jetzt, aber noch nichts dabei, wo ich gesagt hätte: wow!" Dabei begegnete sie eben einer Fee und einer Schar historischer Persönlichkeiten. Genau das ist das Konzept der Veranstalter. Kein Star wird herausgestellt. Es geht um ein breites Spektrum an musikalischen Angeboten aller Genres. Das reicht von „Biene Maja“, dargeboten vom Zugabe-Kammerorchester, über die musizierenden Spielweyber von Wirbeley, die kurzerhand einen Herrn aus dem Publikum zum auf die Pauke-Hauen verdonnern, als hätte er nie anderes getan, bis zu Latin Music, Jazz und Swing.

Was dem einen die Haare zu Berge stehen lässt, verleitet den anderen zum Stehenbleiben oder gar zum Tanzen. Ob am Teich bei Tom Roeders „Ruf der Sirenen“, beim traditionellen Feuerwerk oder bei den wahrlich nicht alltäglichen, filmmusikalisch untermalten Illuminationen am Schloss Albrechtsberg. Gewollt ist dabei die regionale Nähe der Künstler. Drei Viertel sind Sachsen oder sogar Dresdner. Manch Besucher staunt, welche (noch) unbekannten Stimmen vor der Haustür heranwachsen, wie die im Vorjahr entdeckte Liedermacherin Susann Großmann. Überraschungen gab es auch. Kurz vor Mitternacht ließ sich sogar Dieter Wedel mit einigen Künstlern der Zwingerfestspiele blicken. Nur eins scheint unlösbar: alle Musiker in einer Nacht zu hören. Ein neuer Versuch kann am 14. Juli 2012 gestartet werden – zur vierten Dresdner Schlössernacht.

Foto-Impressionen auf www.dresdner-schloessernacht.de