Am 3. Oktober 2011 wird der amerikanische Komponist Steve Reich 75 Jahre alt. Seine Kompositionen pulsieren; ihre immer wiederkehrenden rhythmisch-harmonischen Muster treiben den Hörer voran und entheben ihn irgendwann der Zeit. Als »minimal music« ist sein Kompositionsstil bekannt geworden. Bis heute inspiriert das Künstler in aller Welt.
In New York geboren, verbrachte Steve Reich seine Kindheit praktisch im Zug zwischen Ost- und Westküste. Seine Eltern trennten sich früh, die Mutter zog nach Los Angeles. »So reiste ich zwischen 1939 und 1942 zwischen den beiden Metropolen im Zug hin und her,« erinnert sich der Komponist. »Heute frage ich mich: In welchen Zügen wäre ich als ein Junge von jüdischer Herkunft wohl gereist, wenn ich zu dieser Zeit in Europa gewesen wäre?«
1957 hatte Reich den Uniabschluss in Philosophie in der Tasche, als er sich entschied, Komponist zu werden. Drei Jahre Juilliard School, Kurse mit Luciano Berio und Darius Milhaud, Studien im gesanglichen Vortrag der hebräischen Bibel in Jerusalem sowie ein Sommerstudium an der Universität von Ghana in Accra folgten. Danach tourten "Steve Reich und Musiker" durch die Welt und machten seine Werke, etwa die »Music for 18 Musicians« (1974-76), international bekannt. Heute erntet »Amerikas größter lebender Komponist« (New York Times) die Früchte seiner langen Karriere: hoch dotierte Preise wie den japanischen Praemium Imperiale und den Polar Music Prize, den Reich 2007 aus der Hand des schwedischen Königs entgegennahm.
Der stete Fluss von zwei, drei Kompositionen pro Jahr fließt nach der Jahrtausendwende vielleicht etwas ruhiger – ein Versickern der Ideen ist aber nicht zu befürchten. Reichs neuere Kompositionen, das "Double Sextet" (2007) oder das "Mallet Quartet" aus dem Jahr 2009, sind voller Kraft und Vorwärtsdrang. Auch wenn sich seine Stilistik über die Jahre allemal verfeinert, nie dramatisch geändert hat: für gesellschaftliche Kontroversen ist der Komponist noch immer gut. Das Cover seines neuesten Albums »WTC 9/11«, das den Anflug eines Flugzeugs auf die Twin Towers zeigte, musste Reich nach einer öffentlich geführten Diskussion ändern, einen Monat vor dem zehnten Jahrestag der New Yorker Anschläge war das.
Die aus europäischer Sicht übertriebene patriotische Empörungswelle versuchte Reich damit zu beschwichtigen: »Als ein Komponist möchte ich, dass die Leute meiner Musik zuhören, ohne dass sie irgendetwas ablenkt.« Dafür wird nach den Feierlichkeiten zu Reichs 75. Geburtstag auch in Deutschland Gelegenheit sein: bei den TONLAGEN, Dresdens zeitgenössischem Musikfestival am Festspielhaus Hellerau, wird er beispielsweise wieder einmal einer von "18 Musicians" in seiner gleichnamigen Komposition sein.