Stichwort „Salvador“, woran denken Sie da? El Salvador, San Salvador? Stadt, Staat oder Bamahas-Insel? An einen Sehnsuchtsort wie das brasilianische Salvador de Bahia? Oder doch an den französischen Chansonnier Henri Salvador? Wer sich die gleichnamige CD „Salvador“ von Céline Rudolph zu Gemüte führt, dürfte mit allen gedanklichen Erwartungen auf seine Kosten kommen.
In erster Linie bezieht sich die 1969 geborene Berlinerin, die seit 2003 als Jazz-Professorin an Dresdens Hochschule für Musik Carl Maria von Weber unterrichtet, auf den hierzulande kaum bekannten Altmeister Henri Salvador (1917 – 2008). Der hat gut ein halbes Jahrhundert lang das französische Chanson geprägt, hat aber auch musikalische Brücken zwischen Europa und den Süden Amerikas errichtet und mutig beschritten. Darauf folgt ihm die nachgeborene Künstlerin nun mit einer CD, die eigentlich aus zwei sehr unterschiedlichen CD-Produktionen besteht.
Auf dem frankofonen Markt ist die Scheibe mit Salvador-Originalen erschienen, in Deutschland kam sie mit Céline Rudolphs Aneignungen in sehr, sehr persönlichen Übertragungen heraus. Ein Vergleich zwischen textlicher Vorlage und emotionaler Umdeutung ist auf ihrer Website nachzulesen. Bis die CDs in beiden Sprachräumen erscheinen, wird wohl noch einige Zeit vergehen.
Derzeit stellt die Sängerin – einem projektorientierten Freisemester an der Musikhochschule sei Dank – ihr Projekt „Salvador“ auf Konzerten in Deutschland und Frankreich vor. Da kommt es auch kurzfristig und ganz spontan zu linguistischen Sprüngen von der einen in die andere Sprach- und Gefühlswelt. Man glaubt der Künstlerin gern, dass sie beide Sphären beherrscht. Denn sie scheint das Sehnsuchtsvolle, das Henri Salvador in seiner Kunst stets ausgemacht hat, auch in ihrem eigenen Schaffen zu spüren, zu schüren.
Wer aber war dieser Chansonnier, der in Frankreich bis heute als Monument gehandelt wird und hierzulande kaum einem breiteren Publikum bekannt sein dürfte? Salvador kam 1917 in Französisch-Guayana zur Welt, zog mit seiner Familie schon bald nach Paris, wo er musikalische und komödiantische Talente entwickelte, mit Django Reinhardt und Boris Vian zusammenarbeitete. Heute gilt er als Altmeister des Chansons, wird in seiner Heimat hoch gehandelt. Gut möglich, dass es den Interpretationen von Céline Rudolph gelingt, in auch diesseits von Rhein und Ruhr bekannter zu machen.
Das Zeug dazu hat sie. Ihre Mutter, Französin, hat ihr die Liebe zum Chanson beizeiten nahegebracht. Aus unerfindlichen Gründen sang sie als Kind schon die Lieder von João Gilberto nach, ohne auch nur ein Wort davon zu verstehen. Angeblich weiß sie selbst nichts mehr davon, nur die Erzählungen der Eltern halten das Erinnern daran heute noch wach. Später lernte Céline Rudolph Portugiesisch, reiste irgendwann nach Brasilien und fand doch nicht Fremdheit, sondern eine Art Heimat.
Man glaubt, dies beim Hören der „Salvador“-CD spüren zu können. Zwar sind die deutschen Texte ziemlich persönlich geraten und verraten gewiss eine Menge über die nachgeborene Sängerin, doch trägt ihr Interpretationsstil dazu bei, das Sehnsüchtige – eben die Saudade – geradezu mit Händen greifbar zu fühlen. Damit ist diese neue CD ein würdiger Nachfolger der preisgekrönten Scheibe „Metamorflores“, die 2009 ebenfalls in Brasilien produziert wurde. Das einzige Manko ist die Spieldauer von nur gut 35 Minuten. Da wird geradezu fremdbestimmt und automatisch die Repeat-Taste gedrückt. Die versetzt uns zwar weder nach Paris noch in die Karibik, geschweige denn, nach Bahia, ermöglicht jedoch einen sehnsuchtsvoll gefühligen Eindruck davon. Ein riesengroßes Dankeschön an den Altmeister Henri Salvador sollte unbedingt verbunden sein mit dem Dank an dessen Wiederentdeckerin Céline Rudolph.
Am Montag stellt sie „Salvador“ in der Comödie Dresden ausführlich vor.