Seit dem Revival der Comedian Harmonists scheint der Trend der vier- bis sechsstimmigen Gesangsmusik ohne Instrumente nicht abzureißen. Die Liste der zeitgenössischen Gruppen ist lang, der Facettenreichtum eher dürftig. Warum also sorgten Vocaldente, eine A-capella-Band aus Hannover, am Samstag für so viel Trubel im Societaetstheater?
Es war das zweite rein akustische Konzert dieser Jazztage. Eine völlig verwaiste Bühne erwartete die fünf smarten jungen Männer, die in den folgenden zwei Stunden das Publikum erobern sollten. Zum Repertoire „Lets misbehave“ gehörten leider keine eigenen Songs, sondern Coverversionen bekannter Popsongs. Das Publikum, sehr durchwachsen in Alter und Kleidungsgeschmack, erwärmte sich bald für die Interpretationen. Der erste Titel: „Faith“. George Michaels Hit wurde kreativ und neu mehrstimmig arrangiert, bekam einen etwas flotteren Rhythmus und eine mitreißende Performance verpasst, die durch unerwartete Pausen im Lied belebt wurde.
Die erstaunliche Harmonie der fünf Männerstimmen bestach vom ersten Ton an: der Countertenor Christoph Grasse, die Tenöre Tobias Kiel und Jakob Buch, der Bariton Johannes Gruber und Tobias Wunschik als Bass bedurften weder technischer Verstärkung noch eines Dirigenten. Jeder Chorleiter wäre entzückt gewesen und hätte das Gehörte als Paradebeispiel angebracht für: Aufeinander hören. Besser hätte auch kein Techniker die Stimmen miteinander klingen lassen können, keine stach störend heraus und keine ging unter. Vocaldente erfreuen sich nicht nur geübter Stimmen sondern auch hervorragender Notensicherheit, so sangen sie flüssig, lässig und gekonnt. Und schwammen absolut synchron durch die schwierigen Gefilde der A-capella-Dynamik; verhaspelten sich nicht in zungenbrecherisch rasanten Textteilen. Vielmehr artikulierten sie durchgehend deutlich und zeitgleich. In sieben Jahren Bühnenerfahrung, in denen die Gruppe einige Sängerwechsel durchzustehen hatte, hat sich dennoch offenbar der Teamgeist gehalten. Und der Hang zum Komödiantischen, der in diesem Konzert auch nicht zu kurz kam: Mit witzigen Zwischenkommentaren und etwas kindischen Darstellungen während der Lieder oder einfach der überzeugt bierernsten Mine Christoph Grasses, bei geradezu unmännlich hohen Tönen, konnte gar keine Trauerkloßstimmung entstehen. Nicht einmal bei traurigen Texten wie dem von Lionel Richies „Easy“.
Trotzdem war die Musik keineswegs unseriös: Das Timbre jeder Stimme kam einzigartig hervor und überzeugte auch in nur kleinen Solopartien. So ist die Stimme Tobias Kiels wie geschaffen für Popinterpretationen, er vermag sie rauchig, rockig und klar zu formen und trat mit seiner Interpretation von „Rock DJ“ mit Robbie Williams in Konkurrenz. In der ersten Strophe aus „Thank God I´m a country boy“ ließ das Western-Feeling durch die Stimme von Johannes Gruber nicht lange auf sich warten. Tobias Wunschik verlieh jedem Stück eine schön profunde, angenehm tiefe Basis. Die peppigen, kreativen und schwierigen Arrangements der Stücke – übrigens alle aus der Feder Kiels – verhalfen Wunschik auch hier und da zu einer solistischen Zeile, die er lässig und charmant lächelnd sang. Zusammen mit Johannes Gruber sorgte er außerdem für den Takt im Lied. Beide wurden zur menschlichen Beatbox, machten auch gerne die Luftschlagzeug-spielenden Bewegungen dazu und amüsierten so das Publikum.
Natürlich durfte wenigstens ein Lied der Vorreiter aller deutschen A-capella-Bands nicht fehlen – und so strahlte Countertenor Christoph Grasse mit hellen, klaren Soprantönen in „Kannst Du pfeifen, Johanna“. Im Programm standen Popsongs aus den letzten 80 Jahren, die Melodien flott, die Arrangements luftig-leicht klingend und raffiniert konzipiert, die Bewegungen lustig. Den absoluten Höhepunkt, Arrangement und Tanz betreffend lieferte ein schier endloses Michael-Jackson-Medley, das seine bekanntesten Songs in Auszügen enthielt, so entstanden sehr witzige Textpassagen wie : “Think twice – Who´s bad – Thriller“. Optisch ergänzt wurde das Medley durch eine ebenfalls an Jackson erinnernde Choreographie, die die Zuschauer bestens unterhielt.
Musikalisch die höchsten Töne gab allerdings Christoph Grasse zum Besten, in der zweiten Zugabe „In the jungle“. Das Publikum war überwältigt und überzeugt von dieser A-capella-Band, die nach ihrem ersten Konzert in Dresden klargestellt hatte: Vocaldente ist nicht nur eine von vielen.